9.
Noch einen Vorzug des Cäsarius dürfen wir nicht übergeben [ber.: „übergehen“ statt „übergeben“]. Anderen mag er vielleicht unbedeutend und nicht erwähnenswert erscheinen, ich aber hielt ihn damals schon und halte ihn noch heute für bedeutend, es müßte denn sein, daß Bruderliebe kein Lob verdient. Sooft ich über meinen Bruder berichte, werde ich diesen Vorzug immer wieder an erster Stelle nennen. S. 217 Byzanz suchte ihn durch die Ehren, von denen ich sprach, festzuhalten; es weigerte sich, ihn aus irgendeinem Grunde ziehen zu lassen. Da aber ich mich dagegen stemmte, Cäsarius mich ehrte und ich bei ihm alles galt, setzte ich es durch, daß er den Wunsch seiner Eltern und seine Pflicht gegen das Vaterland erfüllte und mein Verlangen befriedigte. Er machte mich zum Begleiter und Reisegefährten und zog mich nicht nur Städten und Völkern, Ämtern und Einkünften, welche ihm reichlich von vielen Seiten bereits zuflossen und noch erwartet werden durften, sondern fast selbst dem Kaiser und seinen Verordnungen vor. Ich für mich entschloß mich hierauf, Mönch zu werden1 und mich für das jenseitige Leben einzurichten, jeglichen Ehrgeiz wie einen tyrannischen Herrn und eine schwere Krankheit abweisend; das Verlangen darnach war allerdings schon lange dagewesen, ehe es ausgeführt wurde2. Cäsarius dagegen ging, nachdem er seine besten Wissensschätze dem eigenen Vaterlande gewidmet und für seine Mühen entsprechende Bewunderung geerntet hatte, aus Verlangen nach Ehren und nach einer leitenden Stellung in Byzanz, wozu er auch mich zu bereden gesucht hatte, an den kaiserlichen Hof. Damit handelte er wahrlich nicht nach unseren Wünschen und unserem Gutachten. Ich muß es euch offen sagen: es ist wohl besser und erhebender, bei Gott den letzten Platz einzunehmen, als bei einem irdischen Kaiser an erster Stelle zu stehen. Gleichwohl verdient er keinen Tadel. Denn Mönch zu sein, ist etwas sehr Hohes, aber auch etwas sehr Schwieriges. Nicht viele sind dazu berufen, sondern nur jene, welche die göttliche Vorsehung dazu bestimmt hat, die den Auserlesenen gütig die Hand reicht. Es ist aber auch nichts Geringes, wenn jemand die zweite Lebensstufe betritt und nach einem schönen, guten Leben (in der Welt) strebt3 und sich (dabei) mehr um Gott und seine eigene Seele, als um irdischen Glanz kümmert und, das Leben in dieser Welt als S. 218 Schauspiel auffassend, im Glanz nur eine Szenerie oder eine Maske für die vielen Eitelkeiten sieht und sich mit seinem Ebenbilde, das er, wie er weiß, von Gott erhalten hat und dem Geber zurückerstatten muß, Gott weiht. Daß Cäsarius von solchem Streben beseelt war, sind wir überzeugt.
