1.
Doch scheint mir die Katechese mit dem Dargelegten die Unterweisung noch nicht erschöpfend gegeben zu haben. Denn nach meinem Dafürhalten muß man auch das, was auf die Wiedergeburt folgt, in Betracht ziehen, weil dies viele von denen, welche zur Gnade der Taufe herantreten, übersehen und so sich selbst betrügen, indem sie nur dem Scheine nach, nicht aber wirklich wiedergeboren sind. Denn die Umwandlung unseres Lebens, welche durch die Wiedergeburt geschehen soll, wird doch nicht als Umwandlung anzusprechen sein, wenn wir in dem Zustande bleiben, in welchem wir vorher waren. Denn von jenem, der nach der Taufe noch der nämliche ist, weiß ich nicht, wie man annehmen könnte, er sei ein anderer geworden, während keine seiner in seinem Wandel sich zeigenden Eigenschaften eine Änderung erfuhren. Denn jedermann begreift, daß die heilbringende Geburt die Erneuerung und Umwandlung unserer Natur zum Ziele hat. Nun aber bewirkt die Taufe keine Veränderung der Menschennatur an sich; weder die Vernunft, noch der Verstand, noch die Fassungskraft wird geändert, noch sonst eine Fähigkeit, welche zur menschlichen Natur gehört; denn falls eine derartige Fähigkeit unserer Menschennatur eine Veränderung erführe, so würde dies eine Veränderung zum Schlechtern bedeuten. Da also in der genannten Beziehung eine Änderung nicht eintreten kann, die Wiedergeburt von oben aber dennoch eine Änderung bewirkt, so entsteht die Frage, in welcher Beziehung die Änderung sich vollzieht, welche die volle Gnade der Wiedergeburt mit sich bringt. Klar ist, daß eine Veränderung zum Bessern vorliegt, falls die schlechten Eigenschaften unserer Natur beseitigt werden. Wenn wir nun, in diesem geheimnisvollen Bade gewaschen, in unseren S. 83 Gesinnungen nach dem Worte des Propheten (Is. 1, 16) geläutert wurden und unsere Missetaten gewaschen sind, dann sind wir besser geworden und haben uns zum Besseren verändert. Wird dagegen dieses Bad nur dem Körper zuteil, während sich die Seele von den Flecken ihrer Krankheit nicht reinigt, sondern das Leben nach der Weihe dem vor der Weihe gleicht, so will ich, wenn es auch ein kühnes Wort ist, es dennoch aussprechen, daß das Wasser bei diesen nur Wasser war, weil die Gabe des Heiligen Geistes an dem Wiedergebornen in keiner Weise sich offenbarte, falls nicht bloß das häßliche Laster des Zornes das göttliche Ebenbild entstellt oder die Leidenschaft der Habsucht oder zügellose und schmähliche Gesinnung oder Stolz und Neid und Hochmut, sondern auch der ungerechte Gewinn bei ihm bleibt und das Weib, das er sich auf ehebrecherische Weise erworben, seinen Lüsten auch nachher noch dient.