2.
[Forts. v. S. 21 ] Nun ― wenn doch ihr Verstand mehr in die Höhe blicken und sie, ihren Geist mehr von der Genußsucht losmachend, unbefangen die Natur der Dinge betrachten würden, so könnten sie nicht meinen, daß es außer der Sünde noch ein Übel gäbe. Alle Sünde aber besteht ihrem Wesen nach in der Beraubung des Guten, da sie nicht an sich selbst etwas ist und keine eigene Existenz zeigt; denn nichts Böses existiert außerhalb des Willens für sich, sondern deshalb, weil es nicht das Gute ist, wird es so genannt. Das Nichtseiende existiert nicht, und Schöpfer des Nichtexistierenden kann nicht der sein, der nur das Existierende geschaffen hat. Also hat Gott keine Verantwortung für das Böse, er, der da der Urheber des Seienden, keineswegs aber des Nichtseienden ist, der das Sehvermögen, nicht die Blindheit bildete, der die Tugend, nicht deren Beraubung schuf, der den nach der Tugend Wandelnden als Kampfpreis für die freie Willensentscheidung das Ehrengeschenk großer Güter vorlegt, nicht aber die menschliche Natur mit Zwangsanwendung unter seinen Willen knechtet, indem er die Menschen wie ein lebloses Gerät willenlos zum Guten hinziehen würde. Wenn aber einer beim hellen Strahl des Himmelslichtes freiwillig die Augen schließt, so ist die Sonne ohne Schuld, wenn er nicht sieht.