2.
Wie dem Lichte die Finsternis, dem Leben der Tod, so steht der Tugend das Böse als Gegensatz gegenüber und sonst nichts in der Welt. Denn gleichwie unter den vielen Dingen, welche wir in der Schöpfung wahrnehmen, keines, weder Stein noch Holz, weder Wasser noch Mensch, noch irgendein anderes von den existierenden Wesen zum Licht und Leben in Gegensatz steht als einzig das, was wir als begrifflichen Gegensatz hiezu feststellen, nämlich Finsternis und Tod, so kann hinsichtlich der Tugend auch niemand behaupten, irgend etwas anderes in der ganzen Schöpfung sei ihr Gegensatz als nur das, was zum Begriff des Bösen gehört. Würde also unsere Lehre die Anschauung vertreten, Gott habe eine Verbindung mit dem Bösen eingegangen, so hätten die Gegner allerdings Veranlassung, unseren Glauben anzugreifen, weil wir Widersprechendes und Ungereimtes über die göttliche Natur aufstellten. Es wäre ja frevelhaft zu sagen, die ewige Weisheit, Güte und Unvergänglichkeit oder was sonst Erhabenes gedacht und genannt werden kann, sei in das gerade Gegenteil verfallen. Wenn nun Gott die unendliche Vollkommenheit selbst ist, der Gegensatz zur Vollkommenheit aber nicht in einer Natur, S. 36 sondern einzig und allein in der Schlechtigkeit besteht, Gott ferner nicht in der Schlechtigkeit, sondern in der menschlichen Natur erschien, ungeziemend und entehrend aber lediglich der Zustand der Schlechtigkeit heißen kann, in welchen Gott jedoch niemals geriet und auch seiner Natur nach niemals geraten kann, ― was schämen sie sich also, zu bekennen, daß Gott die menschliche Natur angenommen habe, da doch an der menschlichen Ausstattung sich nichts findet, was an sich einen Gegensatz zum Guten bildet? Denn weder die Vernunft, noch der Verstand, noch die Fähigkeit zur Kunst und Wissenschaft, noch etwas anderes, was zur menschlichen Wesenheit gehört, ist dem Begriff des Guten entgegengesetzt.