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Aus dem gleichen Grunde redete er auch im Anfange von nichts, was den Juden hart und unangenehm hätte sein können, sprach nicht wie Johannes von der Axt und dem umgehauenen Baum, von Wurfschaufel, Tenne und unauslöschlichem Feuer; im Gegenteil, er bringt im Beginn nur angenehme Dinge vor; er verkündet seinen Zuhörern die frohe Botschaft vom Himmel und dem Himmelreich.
V.18: „Und als er am Gestade des galiläischen Meeres wandelte, sah er zwei Brüder, Simon mit dem Beinamen Petrus, und Andreas, dessen Bruder, wie sie eben ein Netz im Meer auswarfen1 ,
V.19: und er sprach zu ihnen: Kommt mit mir, ich will euch zu Menschenfischern machen.
V.20: Da ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.“
Johannes stellt allerdings ihre Berufung anders dar. Das erklärt sich aber damit, dass dies eben die zweite Berufung war; das kann man an vielen Merkmalen erkennen. Dort heißt es nämlich, sie seien berufen worden, bevor Johannes eingekerkert wurde; hier aber steht: nach dessen Gefangennahme. Bei Johannes wird Petrus von Andreas gerufen; hier ruft beide Jesus selbst. S. 230Johannes schreibt sodann: „Als Jesus den Simon kommen sah, sagte er zu ihm: Du bist Simon, der Sohn des Jonas, du wirst Kephas genannt werden, was mit 'Petrus' übersetzt wird“2 . Matthäus hingegen sagt, er habe diesen Namen bereits vorher gehabt, denn er schreibt:„Als Jesus den Simon sah, der Petrus genannt wurde.“ Dasselbe kann man aber auch an dem Ort erkennen, von dem aus beide berufen werden, sowie an vielen anderen Anzeichen, auch an der Bereitwilligkeit, mit der sie dem Rufe folgten und alles verließen. Sie waren eben schon vorher gut darauf vorbereitet. Bei Johannes3 kommt Andreas in das Haus hinein und hört zuerst lange Reden4 ; hier vernehmen beide nur ein einziges Wort und sogleich folgen sie ihm. Es war ja ganz natürlich, dass der Herr sie, die ihm gleich zu Anfang gefolgt waren, wieder entließ und dass sie zu ihrem eigenen Handwerk zurückkehrten, nachdem sie gesehen hatten, dass Johannes ins Gefängnis geworfen worden und der Herr selbst sich zurückgezogen hatte. Deshalb findet er sie denn auch beim Fischen. Der Herr selbst aber hatte ihnen weder ein Hindernis in den Weg gelegt, als sie zuerst gehen wollten, noch hat er erlaubt, dass sie für immer gingen; er gestattete nur, dass sie gingen, dann kam er aber wieder zurück, um sie von neuem zu hohlen. Das ist die beste Art des Fischfanges.
Beachte aber auch den Glauben und den Gehorsam der beiden Apostel! Sie waren mitten in ihrer Arbeit5 , als die Aufforderung des Herrn an sie erging. Sie aber zögerten nicht und schoben die Sache nicht auf; sie sagten nicht: Wir wollen zuerst nach Hause gehen und mit unseren Angehörigen reden; nein, sie verließen alles und folgten ihm nach, wie es auch Elisäus bei Elias gemacht hatte. Gerade einen solchen Gehorsam erwartet Christus von uns: wir sollen auch nicht einen Augenblick zögern, und wenn selbst die wichtigste Angelegenheit uns drängte. So hat er auch einem anderen, der zu ihm kam und bat, seinen eigenen Vater noch vorher begraben S. 231zu dürfen, selbst das nicht gestattet, weil er uns zeigen wollte, dass man den Gehorsam gegen ihn allem anderen vorziehen müsse6 . Da wendet mir aber vielleicht jemand ein: Ja, es ward ihnen aber auch etwas überaus Großes dafür verheißen. Nun, gerade deswegen bewundere ich sie am meisten, weil sie an eine so große Verheißung glaubten, noch ehe sie irgendein Wunderzeichen von ihm gesehen hatten, und alles andere diesem Gehorsam nachsetzten. Sie hatten eben die Überzeugung, dass sie durch die Worte, durch die sie selbst gefangen worden, auch andere in ihre Netze werden bringen können. Diesen beiden Aposteln machte also der Herr eine solche Verheißung. Zu denen hingegen, die mit Johannes und Jakobus waren, sagte er nichts dergleichen. Diesen musste der Gehorsam der Vorgenannten als Beispiel dienen. Übrigens hatten sie auch schon vorher sehr viel von ihm gehört. Da beachte nun, wie er uns auch deren Armut recht deutlich zu erkennen gibt.
V.21: „Er fand sie nämlich, wie sie eben ihre Netze ausbesserten.“
Sie waren eben so arm, dass sie ihre abgenützten Netze flicken mussten, weil sie keine neuen kaufen konnten. Übrigens ist auch das kein geringer Beweis ihrer Tugend, dass sie ihre Armut bereitwillig ertrugen, von ehrlicher Arbeit sich nährten, durch die Bande gegenseitiger Liebe geeint waren, und ihren Vater bei sich hatten und pflegten. Nachdem also der Herr sie gewonnen hatte, da erst fing er an, in ihrer Gegenwart Wunder zu wirken, und bekräftigt hierdurch das, was Johannes über ihn gesagt hatte. Häufig ging er auch in die Synagogen, und belehrte eben dadurch die Juden, dass er kein Feind Gottes und kein Verführer sei, sondern vollkommen eins mit dem Vater. Bei diesen seinen Besuchen hat er aber nicht bloß gepredigt, sondern auch Wunder gewirkt.