1.
V.5: „Als der Herr nach Kapharnaum hineinging, da trat ein Hauptmann auf ihn zu, flehte ihn an
V.6: und sprach: Herr, mein Diener liegt zu Hause krank an Gicht und leidet große Qualen.“
Der Aussätzige kam zum Herrn, als er vom Berge herunterstieg; dieser Zenturio, als er nach Kapharnaum hineinging. Weshalb ist denn weder der eine noch der andere auf den Berg gestiegen? Nicht aus Trägheit; denn beide hatten einen lebendigen Glauben; sie wollten nur die Predigt des Herrn nicht unterbrechen. Der Hauptmann ging also auf ihn zu und sagte: „Mein Knecht ist zu Hause krank an Gicht und leidet große Qualen.“Einige sagen da, der Hauptmann habe auch gleich die Ursache der Krankheit genannt, um sich zu entschuldigen, dass er seinen Diener nicht selbst mitgebracht hatte. Es wäre ihm ja, sagen sie, nicht möglich gewesen, ihn aus dem Hause zu bringen, wenn er solche Anfälle hatte, und solche Schmerzen leiden musste, dass er schon fast in den letzten Zügen lag. Dass es mit ihm beinahe zum äußersten gekommen, bezeugt auch Lukas, der da schreibt: „Er war dem Tode nahe“1 . Ich halte das Benehmen des Hauptmanns vielmehr für ein Zeichen seines großen Glaubens, und zwar eines viel stärkeren als jene hatten, die ihren Kranken vom Dache des Hauses herunterließen. Er war eben fest davon überzeugt, dass auch ein bloßer Befehl des Herrn genüge, ihm seinen kranken Diener gesund zu machen: deshalb hielt er es für unnötig, ihn mitzubringen. Was tut nun Jesus? Er tut hier etwas, was er früher nie getan hat. Sonst gewährte er immer nur nach erfolgter Bitte S. d361 den Wunsch der Hilfesuchenden; hier eilt er förmlich auf die Sache zu und verspricht nicht nur den Knecht zu heilen, sondern auch selbst in das Haus zu kommen. Dies tut er aber nur, damit wir daraus die Tugend des Hauptmannes erkennen. Hätte er dies nicht versprochen, sondern einfach gesagt: Wohlan, dein Diener soll gesund sein, so hätten wir diese Beobachtung nicht machen können. Dasselbe tat er auch bei der Phönizierin, aber in umgekehrter Weise2 . Hier ward er nicht in das Haus gerufen, und doch sagte er ohne Zögern, er werde von selbst kommen. Du sollst eben daraus ersehen, welchen Glauben und welch große Demut der Hauptmann besaß. Bei der Phönizierin dagegen weigert er sich, sie zu erhören und stellt ihre Beharrlichkeit auf die Probe. Als weiser und gewandter Arzt verstand er es eben, Gegensätzliches durch Gegensätzliches zu erreichen. Hier offenbart er den Glauben des Hauptmannes durch sein freiwilliges Erscheinen; dort den der Frau durch den langen Aufschub und die Weigerung. So machte er es auch mit Abraham, als er sprach: „Ich werde es nicht verbergen vor meinem Knechte Abraham“3 , damit du seine Liebe erkennst und seine Bekümmernis für die Sodomiten. Auch bei Lot weigern sich die Abgesandten, in sein Haus einzutreten, auf dass dir die große Gastfreundschaft dieses Gerechten zum Bewusstsein komme4 . Was sagt also der Hauptmann?
V.8: „Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach.“
Geben wir acht, wir alle, die wir Christum aufnehmen sollen. Es ist ja auch jetzt noch möglich, ihn aufzunehmen. Hören wir und ahmen wir ihn nach und nehmen wir den Herrn mit dem gleichen Eifer auf. Denn wenn du einen Armen aufnimmst, der Hunger leidet und keine Kleider hat, so hast du ihn aufgenommen und genährt. „Aber sprich nur ein Wort und mein Knecht wird S. d362 gesund.“ Siehe da, wie auch er, gleich dem Aussätzigen so vom Herrn denkt, wie es sich gebührt. Er sagt nämlich nicht: Bitte du, noch auch: bete und flehe, sondern nur: befiehl. Dann fügte er aus Furcht, dass der Herr ihm aus Demut die Bitte verweigere, hinzu:
V.9: „Denn ich bin ein Mensch, der unter fremder Macht steht und Soldaten unter sich hat. Und sage ich zu einem: Geh, so geht er, und zu jenem: Komm, so kommt er, und zu meinem Sklaven: Tu dies, so tut er es.“
Aber was tut dies zur Sache, fragst du, ob der Hauptmann also vom Herrn dachte? Die Frage ist ja die, ob Christus dem zustimmte und es bestätigte. Der Einwand ist gut und sehr verständig. Prüfen wir also gerade diesen Punkt; dann werden wir finden, dass es hier gerade so ging wie bei dem Aussätzigen. Der Aussätzige sagte: „Wenn du willst“; und zwar glauben wir jetzt nicht nur wegen des Aussätzigen an die Macht des Herrn, sondern wegen der Antwort Christi selbst: denn er hat dem Glauben des Aussätzigen nicht nur nicht widersprochen, sondern ihn nur noch mehr darin bestärkt. indem er daraufhin das an sich ganz überflüssige Wort hinzufügte: „Ich will, sei rein“, eben in der Absicht, den Glauben des Aussätzigen zu bestärken. So ist es also am Platze zu prüfen, ob es nicht auch hier ähnlich gegangen ist. In der Tat, wir werden finden, dass auch hier sich die Sache gerade so zutrug. Nachdem der Hauptmann eine so große Bitte vorgebracht und seinen Glauben an eine so hohe Macht Christi bekundet hatte, da tadelte ihn der Herr nicht nur nicht, sondern nahm die Sache an und tat sogar noch mehr, als sie nur annehmen. Auch der Evangelist sagte ja nicht bloß, er habe seine Worte gelobt, sondern zeigte auch, wie sehr er ihn gelobt hat, durch die Bemerkung, er habe ihn sogar bewundert. Ja nicht bloß so einfach bewundert hat er ihn, sondern in Gegenwart des ganzen Volkes ihn auch den anderen als Beispiel vor Augen gestellt, das sie nachahmen sollten. Siehst du da, wie jeder von denen, die seiner Macht Zeugnis gaben, Bewunderung findet? „Es staunte die Menge ob seiner Lehre; denn S. d363 er lehrte wie einer, der Macht hat“5 ; und Christus hat sie darob nicht nur nicht zurechtgewiesen, sondern stieg auch mit ihnen den Berg herab und bekräftigte ihren Glauben durch die Heilung des Aussätzigen. Ebenso sagte dieser selbst: „Wenn Du willst, kannst Du mich rein machen“, und der Herr tadelte ihn nicht nur nicht, sondern heilte ihn und reinigte ihn, wie er es erbeten hatte. In gleicher Weise sagte auch dieser Hauptmann: „Sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund werden“. Und der Herr sprach voll Bewunderung:
V.10: „Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.“