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Indes genügt auch das noch nicht zum Heil. Man muss sich nicht bloß von Ägypten frei machen, sondern auch in das christliche Land der Verheißung einziehen. S. d574 Auch die Juden sind ja, wie der hl. Paulus schreibt, durch das Rote Meer gezogen, haben das Manna gegessen und den geistigen Trank getrunken, und sind doch alle zugrunde gegangen. Damit es also uns nicht ebenso gehe, wollen wir nicht zögern und nicht zaudern. Ja, auch jetzt noch kann man feindliche Kundschafter hören, die über den engen und rauhen Weg schlecht reden und sagen, was damals jene Kundschafter gesagt; aber dann wollen wir es nicht der großen Menge nachmachen, dem Jesus und dem Chaleb, dem Sohne des Jephone1 ; und nicht eher stehe davon ab, als bis du das Land der Verheißung in deinen Besitz gebracht und in den Himmel eingegangen bist. Glaube auch nicht, der Weg sei beschwerlich. „Denn wenn wir als Feinde mit Gott versöhnt wurden, dann werden wir um so eher als Versöhnte gerettet werden“2 . Allein der Weg ist eng und rauh, sagst du. Ja, aber der, auf dem du früher gingst, ist nicht bloß eng und rauh, sondern ganz ungangbar und voll von wilden Tieren. Und wie es ohne Wunder nicht möglich gewesen wäre, das Rote Meer zu durchschreiten, so wäre es auch nicht möglich gewesen, bei unserer früheren Lebensweise in den Himmel zu kommen, wenn nicht die Taufe zu uns gekommen wäre. Wenn aber das Unmögliche möglich geworden, so wird um so eher das Schwere leicht werden.
Indes, wendest du ein, das war nur eine Wirkung freier Gnade. Aber gerade deshalb hättest du um so mehr Grund, zuversichtlich zu sein. Wenn Gott schon da mitwirkte, wo die Gnade allein in Frage kam, wird er dann nicht um so mehr helfen, wenn ihr zeigt, dass ihr euch auch selbst anstrenget? Wenn er den Untätigen rettet, wird er nicht noch eher dem zu Hilfe kommen, der auch selbst mitwirkt? Oben habe ich gesagt, dass die Ermöglichung des Unmöglichen dir auch für das Schwierige Mut machen müsste; jetzt sage ich aber weiter, wenn wir nur vernünftig sind, so ist dies nicht einmal schwer. Sieh nur: der Tod ward mit Füßen getreten, der Teufel besiegt, das Gesetz der Sünde S. d575 aufgehoben, die Gnade des Geistes verliehen, das Leben auf kurze Zeit beschränkt, die Leiden und Mühsale verringert. Und damit du das auch aus den Tatsachen selbst ersehest, so sieh nur, wie viele noch über die Vorschriften Christi hinausgingen. Und du fürchtest dich sogar vor dem notwendigen Maße? Womit willst du dich also entschuldigen, wenn andere noch das gesteckte Ziel überholen, und du selbst zögerst, auch nur bis zu dem vorgeschriebenen Punkte zu gehen? Dich ermahnen wir, ein Almosen zu geben von dem, was du hast, während ein anderer sich all seiner Habe entledigt. Dich bitten wir, ehrbar zu leben mit deiner Frau, andere dagegen haben sich nicht einmal verheiratet. Dich fordern wir auf, nicht lieblos zu sein, während wir Beispiele von solchen besitzen, die aus Liebe sogar ihr eigenes Leben hingegeben haben. Von dir erwarten wir, dass du nachsichtig seiest gegen die Fehlenden; andere bieten sogar noch die andere Wange dar, wenn sie geschlagen werden. Was werden wir also sagen, sprich! Wie werden wir uns rechtfertigen, wenn wir nicht einmal das tun, während andere uns um soviel übertreffen? Sie hätten uns aber nicht übertroffen, wenn die Sache nicht wirklich ganz leicht gewesen wäre. Oder wer magert ab, derjenige, der anderen ihr Glück missgönnt, oder der sich mit ihnen von Herzen freut? Wer ist voll Argwohn gegen alles und zittert unaufhörlich, der Keusche oder der Ehebrecher? Wer freut sich voll froher Hoffnung, der Räuber oder der Barmherzige, der von seinem Eigentum dem Bedürftigen mitteilt? Das alles wollen wir also erwägen und nicht träge sein im Wettlauf um die Tugend, vielmehr mit allem Eifer uns rüsten zu diesen herrlichen Kämpfen und kurze Zeit uns abmühen, um dafür die ewige unverwelkliche Krone zu erlangen, deren wir alle teilhaftig werden mögen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt in alle Ewigkeit. Amen!