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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Sechsundachtzigste Homilie. Kap.XXVII,V.11-26.

3.

Sobald einmal die Überlegung wie in einer Trunkenheit oder unbegreiflichen Raserei befangen ist, kann sich die niedergeschmetterte Seele, wenn sie nicht ganz stark ist, nur schwer wieder aufraffen. Schrecklich ist es, ja schrecklich, wenn man diesen bösen Leidenschaften Raum gibt. Deshalb muss man ihnen auf alle mögliche Weise den Zutritt verwehren und verschließen. Haben sie die Seele befallen und überwältigt, dann S. d1220 entfachen sie eine so lodernde Flamme, wie wenn Feuer das Holz ergreift. Ich beschwöre euch daher, nichts unversucht zu lassen, um ihnen den Eintritt zu versperren; beschwichtigt euch nicht mit dem gefährlichen Gedanken, der jeglicher Schlechtigkeit Tür und Tor öffnet. Was liegt an dem, was liegt an jenem? Daraus entsteht unendliches Unheil. Der Teufel ist gar niederträchtig, heimtückisch und eifrig, und lässt sich auf alles ein, um die Menschen zu verderben; kein Anlass ist ihm zu geringfügig, um uns anzufechten. Siehe nur, er wollte Saul bewegen, auf die Faseleien einer Wahrsagerin zu hören. Hätte er ihm das aber von Anfang eingeflüstert, so hätte er nichts ausgerichtet. Wie wäre es auch möglich gewesen, da ja Saul die Wahrsagerinnen vertrieb? So bringt er ihn denn langsam und allmählich dazu. Da er wegen seines Ungehorsams gegen Samuel, in dessen Abwesenheit er die Opfer dargebracht hatte, getadelt wurde, erwiderte er: „Die Not war dringender wegen der Feinde“1 . Wo er hätte weinen sollen, tut er, als ob nichts geschehen wäre. Später trug ihm Gott den Feldzug gegen die Amalekiter auf, und auch da ließ er sich Fehler zuschulden kommen. Dann begann er all seine Ungerechtigkeiten gegen David, und so sank er still und allmählich immer tiefer, unaufhaltsam, bis er sich selbst in den Abgrund des Verderbens gestürzt hatte. So ging der Teufel auch bei Kain zu Werke. Er trieb ihn nicht sogleich zum Brudermord an, dazu hätte er ihn nicht überredet, sondern zuerst verleitete er ihn, beim Opfer Minderwertiges darzubringen, als wäre das keine Sünde; dann entfachte er Neid und Eifersucht in ihm und flüstert ihm ein, auch daran sei nichts gelegen; endlich verführte er ihn zum Morde und zur Leugnung der Tat. Er ruhte also nicht eher, als bis er seine böse Absicht erreicht hatte.

Man soll daher gleich die ersten Versuchungen zurückweisen. Selbst wenn es bei den ersten Sünden bliebe, so dürfte man doch die ersten Fehler nicht geringschätzen; nun aber geht der böse Geist zu Größerem über, sobald man sie vernachlässigt. Deshalb muss man S. d1221 alle Mittel ergreifen, um die erste Sünde hintanzuhalten. Man darf also nicht darauf sehen, dass ein Fehler in sich unbedeutend ist, sondern dass er, wenn man ihn gering schätzt, die Ursache großer Sünden werden kann. Ja, wie befremdlich es auch klingen mag, so behaupte ich doch, man brauche sich nicht so sorglich vor den großen, als vor den kleinen und geringfügigen Sünden in acht zu nehmen. Bei jenen ist schon die Natur der Sünde geeignet abzustoßen, während die kleinen, ebendarum, weil sie klein sind, zur Gleichgültigkeit verleiten und eine ernstliche Anstrengung, sie zu meiden, nicht leicht aufkommen lassen. Daher kommt es, dass sie infolge unserer Untätigkeit bald groß werden, eine Erfahrung, die man auch bei leiblichen Übeln machen kann. Auf diesem Wege wurde auch bei Judas die böse Tat geboren. Wäre ihm das Stehlen der Armengelder nicht als eine Kleinigkeit vorgekommen, so hätte er sich kaum zu dem schändlichen Verrate hinreißen lassen. Hätten es die Juden nicht für etwas Geringfügiges gehalten, dass sie von Eifersucht erfasst wurden, sie würden nicht so weit gegangen sein, Christum zu töten. Überhaupt kann man beobachten, dass alles Böse aus dieser Ursache hervorgeht. Niemand wird augenblicklich und mit einem Male zur Schlechtigkeit getrieben. Es liegt eben tatsächlich in unserer Seele ein gewisses Schamgefühl und eine Ehrfurcht vor dem Guten, so dass sie nicht plötzlich so schamlos werden kann, alles mit einem Male wegzuwerfen, sondern sie geht, wenn sie lau wird, langsam und allmählich dem Verderben entgegen. So kam auch der Götzendienst auf, indem man die Menschen über Gebühr ehrte, lebende und gestorbene; so kam es, dass man Bilder anbetete, ebenso, dass die Unzucht einriss, und so war es bei allem Bösen. Gib nur einmal acht! Da hat jemand in unschicklicher Weise gelacht, der eine macht ihm deswegen Vorwürfe, der aber weist die Warnung zurück und sagt: Da ist doch weiter nichts dabei. Darf man denn nicht lachen? Was liegt denn daran? So ergeben sich Neckereien, dann Zoten, schließlich eine schändliche Tat. Ein anderer wird gerügt, weil er den Nächsten verleumdet, geschmäht, schlecht über ihn redet; er setzt sich darüber S. d1222 hinweg mit der Bemerkung: Die üble Nachrede hat nichts auf sich. Die Folge davon ist bitterer Hass, unversöhnliche Feindschaft, endlose Schmähreden, von Schmähungen geht man zu Schlägereien über und von Schlägereien oft zum Totschlag.


  1. 1 Kön 28,15 ↩

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