1.
V.62: „Am anderen Tage aber, an dem, welcher nach dem Rüsttage folgt, versammelten sich die Hohenpriester und die Pharisäer bei Pilatus
V.63: und sprachen: Herr, wir haben uns erinnert, dass jener Verführer gesprochen hat, während der noch lebte: Nach drei Tagen werde ich auferstehen.
V.64: Befiel also, dass das Grab bis zum dritten Tage bewacht werde, damit nicht etwa seine Jünger kommen und ihn stehlen und dem Volke sagen: Er ist von den Toten erstanden! und so wird der letzte Betrug schlimmer sein als der erste.“
S. d1247 Überall gerät der Irrtum mit sich in Widerspruch und muss wider Willen der Wahrheit Zeugnis geben. Sieh nur! Es war eine Beglaubigung notwendig, dass der Herr gestorben und begraben worden war und dass er auferstanden ist; all das geschieht nun durch die Feinde. Beachte nur, wie ihre Worte das alles bezeugen. „Wir haben uns erinnert“, sagen sie, „dass jener Verführer gesprochen hat, während er noch lebte“; also war er gestorben; „nach drei Tagen werde ich auferstehen. Befiehl nun, dass das Grab versiegelt werde“; Jesus war mithin begraben worden; „damit nicht etwa seine Jünger kommen und ihn stehlen“. Wenn also das Grab versiegelt war, ist kein Frevel möglich, unbedingt keiner. Mithin ist durch eure Vorkehrungen der Beweis seiner Auferstehung unumstößlich geliefert. Da nämlich Siegel angelegt worden waren, konnte kein Betrug geschehen. Wenn nun der Betrug ausgeschlossen ist, das Grab aber leer gefunden wird, so ist es über jeden Widerspruch erhaben, dass Christus auferstanden ist. Siehst du, wie sie, ohne es zu wollen, zum Beweise der Wahrheit beitragen? Beachte hierbei, wie wahrheitsliebend die Jünger sind, wie sie nichts verhehlen, was die Feinde gesagt haben, auch nicht, wenn es etwas Schimpfliches ist. Man heißt den Herrn sogar einen Betrüger, und auch das verschweigen sie nicht. Auf der einen Seite offenbart sich die Roheit der Juden darin, dass sie ihren Groll nicht aufgaben, obschon er tot war; auf der anderen zeigt sich die schlichte und wahrheitsliebende Art der Jünger. Hier ist auch die Frage am Platze, wo denn Jesus gesagt hat: „Nach drei Tagen werde ich auferstehen“? Man findet nirgends solch einen deutlichen Ausspruch, sondern lediglich den Hinweis auf das Vorbild des Jonas. Sie hatten aber seine Worte wohl verstanden und handelten sonach mit Absicht böswillig. Was antwortet ihnen darauf Pilatus?
V.65: „Ihr sollt eine Wache haben. Gehet, sichert es euch, so gut ihr könnt.
V.66: Und sie sicherten das Grab durch eine Wache, nachdem sie es zuvor versiegelt hatten.“
Pilatus lässt es nicht zu, dass die Wächter selbst die S. d1248 Versiegelung vornehmen; denn da er sich über Christus unterrichtet hatte, mochte er mit den Juden nichts weiter zu tun haben. Nur um sie sich vom Halse zu schaffen, wendet er nichts dagegen ein und spricht: Siegelt, wie ihr wollt, damit ihr nicht andere beschuldigen könnt: Hätten die Soldaten allein den Stein versiegelt, so hätten die Juden behauptet1 , die Soldaten hätten die Leiche stehlen lassen und es so den Jüngern ermöglicht, die Geschichte von der Auferstehung zu erdichten. Nachdem sie aber selbst die Sicherheitsvorkehrungen trafen, war ein solcher Vorwurf ausgeschlossen. Merkst du, mit welchem Eifer sie, wenn auch unfreiwillig, für die Wahrheit eintreten? Sie selbst gingen hin, sie selbst stellten die Bitte, sie selbst legten die Siegel im Beisein der Wache an. So beschuldigen und überführen sie einander selbst. Oder wann hätte man denn überhaupt die Leiche stehlen sollen? Am Sabbat? Und wie denn? Man durfte ja nicht einmal ausgehen. Wenn die Jünger auch das Gesetz übertreten hätten, wie hätten sie es bei ihrer Feigheit gewagt, hinauszugehen? Wie hätten sie die Menge überzeugen können? Was sollten sie sagen, was tun? Was hätte sie bewegen können, für den Toten einzutreten? Welchen Lohn hätten sie gewärtigen können, welchen Entgelt? Als er noch lebte, waren sie geflohen beim bloßen Anblick seiner Gefangennahme, und nach seinem Tode sollten sie so mutig für ihn eingetreten sein, wenn er nicht wirklich auferstanden wäre? Wie wäre so etwas denkbar? Somit ist es klar, dass sie seine Auferstehung, wenn sie nicht wirklich stattgefunden hätte, weder erdichten wollten noch auch konnten. Oft hatte der Herr mit ihnen über seine Auferstehung gesprochen und immer wieder hatte er, wie sie ja auch selber berichtet haben, gesagt: „Nach drei Tagen werde ich auferstehen.“ Wäre er nicht auferstanden, so wären sie getäuscht und seinetwegen mit allem Volke verfeindet, der Familie und der Heimat entfremdet worden, hätten sich infolgedessen von ihm losgesagt und niemals den Wunsch fassen S. d1249 können, ihn mit solchem Ruhme zu umgeben, nachdem sie durch ihn betrogen und in die ärgsten Gefahren gestürzt worden waren. Aber auch erdichten konnten sie die Auferstehung nicht, wenn sie nicht wirklich stattgefunden hätte. Das bedarf gar keiner Begründung. Worauf hätten sie sich stützen können? Etwa auf die Kraft ihrer Rede? Aber sie waren ja ganz ungebildet. Oder auf die Macht des Geldes? Aber sie besaßen ja weder Stab noch Schuhe. Etwa auf den Glanz ihrer Herkunft? Aber sie waren schlichte Leute, wie auch ihre Eltern. Etwa auf die Größe ihres Vaterlandes? Ihre Heimat war unbekannt. Etwa auf ihre Zahl? Aber es waren ihrer nicht mehr als elf und diese waren noch dazu zerstreut. Etwa auf die Verheißungen des Meisters? Auf welche denn? Wenn er nicht auferstanden war, so verdienten auch seine Verheißungen keinen Glauben. Wie hätten sie ferner der Wut des Volkes standgehalten? Wenn ihr Oberster nicht einmal das Geschwätz einer Türhüterin ertrug und die anderen alle, als sie Jesus in Fesseln sahen, sich zerstreuten, wie hätte es ihnen da einfallen sollen, bis an die Grenzen der Welt zu eilen, um die Kunde von einer erdichteten Auferstehung zu verbreiten? Wenn Petrus vor der Drohung eines Weibes und die anderen bei dem Anblick von Fesseln und Banden nicht standhielten, wie sollten sie da vor Königen, Herrscher und Völker hintreten, wo Schwerter, Schmelztiegel, Glutöfen und tausendfacher Tod jeden Tag drohte, wenn sie nicht die Stärkung und den Beistand des Auferstandenen besaßen? So große und zahlreiche Zeichen waren geschehen, aber die Juden hatten sich nicht daran gekehrt, sondern deren Urheber gekreuzigt; und dann hätten sie sich durch die einfache Predigt von der Auferstehung überzeugen lassen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Nur die Macht eines Mannes, der wirklich auferstanden war, konnte einen solchen Umschwung bewirken.
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wenn es auch unglaublich und falsch gewesen wäre; aber, wie sie sonst unverschämt waren, so hätten sie auch hier behauptet ↩