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Werke Synesios von Kyrene (370-413) De prouidentia Ägyptische Erzählungen über die Vorsehung
Zweite Erzählung.

2.

S. 107 Ein armes, sehr altes Weib verschaffte sich an einem Seitenthore ihren armseligen, aber nöthigen Erwerb; beide Hände ausstreckend, ob ihr jemand einen Dreier hineinwerfe. Sie war schon sehr frühe zu ihrem Bettlersitze gekommen; denn der Lebensbedarf ist stark genug, uns um den Schlaf zu berücken. Dort sitzend, that sie, wie man erwarten kann: die zu ihren Geschäften Eilenden geleitete sie mit Worten guter Vorbedeutung, verkündete einen glücklichen Tag, betete und verhieß Gottes Huld. Von ferne sehend, was die Skythen thaten — denn es war schon Tag, und sie hörten nicht auf, wie Diebe, aus- und einlaufend, insgesammt aufzuzubrechen, — dachte Sie bei sich, Thebä werde da das letztemal die Sonne schauen; dieses nämlich thäten sie, damit die Stadt kein Unterpfand von ihnen hätte, so daß sie, sobald sie abgezogen, ihre Frevelthaten beginnen würden, ohne Furcht, daß ihnen ein Unglück begegnen möchte, da die Frevler mit den Betheiligten zusammenwohnten. Sie warf nun den Becher um, in dem sie ihr Geld sammelte, und, vieles klagend und die Götter anrufend, sprach sie: »Ja euch, als ihr, aus der Heimath vertrieben, umherirrtet, hat Aegypten als Flehende aufgenommen, und nicht nur, wie es Flehenden ziemte, behandelt, sondern auch der Aufnahme in den Staat gewürdigt, mit obrigkeitlichen Aemtern bekleidet und zuletzt zu Reichsgebietern gemacht. Daher benehmen sich schon manche Aegyptier nach Skythischer Weise, da ihnen auch die Verstellung nützt. Das Eurige geht ihnen sogar über das Heimische. Doch wozu dieß? Warum zieht ihr ab? Warum packt ihr zusammen und macht euch marschfertig? So unerkenntlich sind doch mit nichten die Götter gegen Wohlthäter. Sie sind, und werden kommen, wenn auch nach Thebä‘s Fall.« So sprach sie und warf sich zur Erde nieder. Da eilt ein Skythe mit gezücktem Schwerte heran, um ihr den Kopf S. 108 abzuhauen, weil er vermuthete, sie schelte sie und mache ihr nächtliches Treiben bekannt: er glaubte nämlich, daß es noch im Verborgenen geschähe, weil keiner von denen, die es wahrgenommen, sich erkühnte, sie zu verrathen; und sie wäre durch das Schwert gefallen, als jemand, ob ein Gott, ob ein Gottähnlicher, erscheint; wenigstens sah man einen Menschen, der offenbar zürnte, und, die Aufmerksamkeit des Skythen auf sich lenkend, dem Anstürmenden entgegen eilt und ihn, dem Schlage zuvorkommend, todt zu Boden streckt. Ein anderer Skythe gegen ihn; und sogleich widerfuhr ihm das Nämliche. Hierauf Geschrei und Zusammenlauf von Menschen, einerseits von Barbaren, welche die lasttragenden Maulthiere verließen, deren sie sich so eben beim Auszuge bemächtigten, indem sie entweder im Begriffe hinauszuziehen oder schon hinausgezogen waren; denn sie kehrten so schnell, als möglich um, den Ihrigen zu helfen; andererseits gewaltiges Volksgetümmel. Der eine fällt getroffen, der andere tödtet einen Skythen, und , den, der ihn getödtet, wieder ein anderer Skythe, stets fiel einer, stets tödtete einer auf einer von beiden Seiten; denn dem Volke diente alles, was ihm der Zufall darbot, als Nothwaffe. Doch konnte es sich auch, wenn es die Todten plünderte, mit Schwertern versehen, oder sie Lebenden entreißen; denn sie waren an Zahl den Fremdlingen überlegen, die so weit, als möglich von der Stadt entfernt gelagert hatten, damit sie sich nicht im Geringsten vor jenem Hinterhalte fürchten dürften, mit dem sie Gott nur dem Scheine nach bedrohte, damit sie die Stadt verließen, welche ganz in ihrer Gewalt war; die andern, der geringere Theil in der Stadt, sorgten für das Gepäck, damit nichts zurückbliebe. Mehrere wurden, so wie sie waren, mit den Wenigern derselben handgemein, welche ihnen in der Nähe der Thore aufstießen, und mit denen, welche stets ankamen, um hinauszuziehen. Es erhob sich stär- S. 109 keres Geschrei, und da zeigte sich nun recht deutlich der Einfluß der Götter; denn als die Nachricht von dem Aufruhr die Stadt, so groß sie war, durchdrang und zu dem Heere der Fremdlinge gelangte, indem beide Theile vor den andern schon lange sich fürchteten, daß sie sie überfallen möchten, glaubte jedermann aus dem Volke, dieß sei für Aegypten jener entscheidende Tag, an welchem die Barbaren es darauf abgesehen hätten, alle Scham abzulegen, und sie entschloßen sich, heldenmüthig kämpfend zu sterben, um die Tapferkeit zum Leichenschmucke zu erhalten; denn daß ihnen kein Unfall begegnen werde, dafür mochte ihnen nicht einmal Gott ein zuverlässiger Bürge dünken. Daher drängten sich alle dahin, wo das Gewühl stets zunahm, indem jeder sich hervorzuthun suchte, es für Gewinn achtend, wenn er Gefahr bestünde, während noch Zeugen übrigten. Die Barbaren hatten sich heimlich fortgemacht, und in der Meinung, sie würden ertappt werden, kümmerten sie sich nicht um die in der Stadt Zurückgebliebenen, obgleich es mehr, als der fünfte Theil des Heeres war. Selbst für sich selbst fürchtend, die Feinde möchten nachrücken, ergriffen sie die Flucht und lagern in weiterer Entfernung, dankend, daß sie größtentheils gerettet werden, indem sie daran waren, mit ihrer ganzen Macht Gefahr zu laufen. Unter denen, welche in der Stadt zurückgeblieben, glaubten die, welche sich in den Häusern aufhielten, und zwar, weil sie schon lange von Gott verblendet waren und vermutheten, die Skythen würden von den Aegyptiern ein unheilbares Uebel erleiden, daß auf die, welche hinausgezogen waren, wie auf Flüchtlinge, ein Ausfall gemacht worden, daß sogleich das Lager geplündert würde und daß es für sie ein Gewinn wäre, dort an ihrer Stelle zu bleiben, wenn sie die Waffen niedergelegt hätten und als Flehende dasäßen; denn man würde glauben, sie seien bloß deßhalb zurückgeblieben, weil sie den Aegyptiern S. 110 kein Leid zugefügt hätten; jene aber aus Furcht, daß sie für ihre Unthaten gerechte Strafe büßen möchten, die Stadt geräumt haben. Nur die, welche gerade an den Thoren standen, und im Gedränge waren, wußten wirklich, daß die Aegyptier keine Streitmacht hatten: keinen Schwerbewaffneten, keine schwere Waffe, keinen Wurfspießschleuderer, keinen Wurfspieß. Bei diesen Umständen faßten sie den Entschluß, wo möglich sich der Thore zu bemächtigen und die blindlings Geschreckten hineinzurufen; denn die ganze Stadt könne, wie ein Vogelnest, geplündert werden. Es erhebt sich dort ein gewaltiger Kampf, in welchem die Aegyptier die Oberhand erhalten und den Siegsgesang anstimmen. Da befällt ein anderer Schrecken die drinnen und draußen befindlichen Barbaren; diese glaubten nämlich, daß die Aegyptier, gegen jene, und jene, daß sie gegen diese ihr Werk vollbracht hätten, so daß sie einander beklagten; und kaum hatten die Sieger alle Thore geschlossen — kein kleines Werk in Thebä; als die hundertthorige preisen die Hellenen sie in ihren Gesängen —, als einer von denen, welche an dem Kampfe bei den Thoren Theil genommen, eben deßhalb mitten aus dem Waffengetümmel sich entfernt, den Skythen Nachricht gibt und die Stadt verheißt. Doch kamen sie vergebens, zu gleicher Zeit das Glück preisend und tadelnd; denn so lange sie gleichsam außerhalb der Netze waren, da frohlockten höchlich bei sich; in der Folge aber wollten sie sogar die Mauer durchbrechen, um sich wieder der Stadt zu bemächtigen. So unbesieglich ist Gottes Weisheit; keine Waffe ist stark, kein Geist etwas vermögend, wenn ihm Gott nicht Beistand leistet; daher haben schon manche gegen sich selbst die Heere angeführt. Vortrefflich dünkt mich dieses gesagt zu seyn, der Mensch sei ein Spiel der Gottheit, welche stets mit den Dingen spielt und würfelt. Vermuthlich dichtete Homeros, der erste der Hellenen dieses bemerkend, einen Wettkampf und S. 111 setzte Preise aus in jeder Art des Wettstreites dem gefallenen Patroklos zu Ehren; in jedem aber ziehen die, von denen man vielmehr vermuthete, daß sie siegen würden, den Kürzern. Teukros steht einem unberühm- ten Bogenschützen nach, und

Selbst der Trefflichste lenkt da zuletzt einhufige Rosse.

An Schnellfüßigkeit wird ein Junger von einem Alten besiegt und im Schwerkampfe Aias überwunden. Doch rühmt er diesen als den bei weitem Tapfersten von allen, welche nach Ilios zogen, Achilleus ausgenommen. »Allein Kunst,« sagt er, »Uebung, Alter, und natürliche Vorzüge, Alles ist unbedeutend in Vergleichung mit dem Göttlichen.«

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