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Œuvres Denys l'Aréopagite, ps. (520) Himmlische Hierarchie (BKV)
13. Kapitel: Warum es heißt, der Prophet Isaias sei von den Seraphim entsühnt worden.

§ 3.

1) Eine andere Lösung meint, jener dem Propheten erschienene Engel habe das Geschäft der Entsühnung auf Gott und nächst Gott auf die erstwirkende Hierarchie zurückbezogen. Die göttliche Macht durchdringt und durchwirkt nämlich alles. 2) Sie teilt ihr Licht zunächst den vornehmsten Geistern und durch diese in entsprechenden Maßen den tieferstehenden Engeln mit. 3) Als Gleichnis dient das Sonnenlicht, welches durch die erste Materie am hellsten hindurchgeht, durch die dichteren Stoffe dagegen wegen ihrer ungeeigneten Beschaffenheit nur verdunkelt oder beinahe gar nicht dringt. 4) Ein zweites Gleichnis wird dem Gesetze der Wärmestrahlung entnommen. Das Feuer bringt die Stoffe, welche für seine Aufnahme geeignet sind, leichter zur Entzündung als die weniger brennbaren Dinge, welche dem Wesen des Feuers nicht so verwandt sind und deshalb der Verähnlichung mit ihm widerstreben. Diese können aber immerhin durch Vermittlung brennbarer Stoffe ebenfalls erhitzt werden wie z. B. das Wasser. 5) Analog den geschilderten, physikalischen Vorgängen wird die Lichtmitteilung aus der Urquelle durch die höheren Wesen den niedern vermittelt. Die vornehmsten Geister sind durch erstgradiges Erkennen, Lieben und Nachahmen Gottes ausgezeichnet, ihre neidlose Mitteilung weckt dann einen ähnlichen Wetteifer bei den tieferen Ordnungen. 6) Gott ist das wesenhafte Licht und Prinzip alles Seins und Schauens; gemäß göttlicher Anordnung ist dann jede höhere Stufe mittelbar in abgeminderten Maßen die Lichtquelle für die nächst niedere. 7) Dieses Gesetz erkennen die Engel der untern Stufen und führen demnach alle ihre Wirksamkeit auf Gott als letzte Ursache und auf die obersten Engel als erstwirkende Organe zurück. So hat also die erste Ordnung das höchste Maß von Liebe, Erkenntnis und Aufnahmsfähigkeit für das Göttliche, die tieferen Ordnungen dagegen haben an diesen Eigenschaften geringeren Anteil und schauen und streben aufwärts nach S. 66 den höheren, sie erleuchtenden Chören. Ihnen schreiben sie daher als ihren Hierarchen nächst Gott die also mitgeteilten Kräfte zu.

Ein anderer aber bot mir für den in Rede stehenden Einwand eine nicht eben unpassende Lösung dar. Er sagte nämlich, daß jener große Engel — wer es nun immer sein mochte —, der behufs der Einführung des Propheten in die göttlichen Geheimnisse die Vision hervorbrachte, den ihm zustehenden heiligen Dienst der Entsühnung auf Gott und nächst Gott auf die erstwirkende Hierarchie zurückgeführt habe. Und ist nun dieses Wort nicht der Wahrheit entsprechend? Denn es sagte mein Gewährsmann, daß die urgöttliche Kraft über alles hingeht und sich erstreckt und durch alles ungehemmt hindurchdringt und doch hinwieder allem unsichtbar ist, nicht bloß, weil sie über alles überwesentlich erhaben ist, sondern auch, weil sie verborgener Weise ihre fürsorglichen Wirkungen in alles entsendet. Aber nun fürwahr zeigt sie sich allen geistigen Wesen auf entsprechende Weise und indem sie die Ergießung ihres eigenen Lichtes den vornehmsten Wesen spendet, verteilt sie dasselbe durch diese als die ersten hindurch in schöner Ordnung auf die tieferstehenden, entsprechend der harmonisch abgestuften jeglicher Ordnung eigenen Kraft, Gott zu schauen.

Um deutlicher zu sprechen und natürliche naheliegende Beispiele zu gebrauchen (mögen sie auch Gott gegenüber, der über alles erhaben ist, unzulänglich sein, so sind sie doch für uns anschaulicher), der mitgeteilte Sonnenstrahl geht durch die erste Materie, welche durchleuchtbarer als alle andern ist, ohne Widerstand ein und läßt durch sie hindurch seinen eigenen Glanz lichter aufblitzen.

Wenn er aber auf die dichteren Stoffe fällt, so ist sein mitgeteiltes Licht mehr verdunkelt, weil die erleuchteten Gegenstände kein günstiges Verhältnis für Vermittlung der Lichtspendung besitzen und infolge davon wird der Strahl allmählich nahezu bis zur vollständigen Unmöglichkeit des Weiterdringens aufgehalten. Die Wärme des Feuers desgleichen teilt sich mehr den dafür empfänglicheren Stoffen mit, welche sich zur Ver- S. 67 ähnlichung mit ihm gut eignen und erheben lassen. An den widerstrebenden, entgegengesetzten Stoffen dagegen erscheint entweder gar keine oder nur eine dunkle Spur von der in Feuer verwandelnden Wirkung. Und was noch bedeutsamer ist, wenn es mit Stoffen in Berührung kommt, welche mit ihm verwandt sind und eine entsprechende Beziehung zu ihm haben, da macht es nach Umständen zunächst die Dinge, welche sich leicht verwandeln lassen, feuerförmig und erhitzt dann durch dieselben das Wasser oder irgend einen andern nicht leicht zu erhitzenden Stoff in entsprechender Weise. Nach dem gleichen Gesetz nun, das in der physikalischen Ordnung herrscht, läßt auch das ursprüngliche Ordnungsprinzip jeder sichtbaren und unsichtbaren Ordnung übernatürlicher Weise den Glanz der von ihm ausgehenden Lichtspendung in allseligen Ergießungen den höchsten Wesen im ersten Erscheinen aufleuchten und durch diese nehmen dann die nach ihnen folgenden Wesen am göttlichen Strahle teil. Denn jene erkennen Gott zuerst und streben im überragenden Maße nach der göttlichen Tugend und deshalb sind sie auch gewürdigt, in erster Linie die Gott nachahmende Kraft soviel als möglich auszuwirken und zu betätigen. Die nach ihnen folgenden Wesen aber erheben sie gütig, soweit es möglich ist, zu wetteiferndem Streben, indem sie ihnen von dem ihnen zuströmenden Glanze neidlos mitteilen. Und diese hinwieder handeln so gegenüber den tieferstehenden. Und auch jedes einzelne erste Wesen teilt dem nach ihm folgenden von dem geschenkten und durch die Vorsehung allen im rechten Verhältnis zufließenden göttlichen Lichte mit. So ist also Gott für alle, die erleuchtet werden, von Natur aus wesentlich und eigentlich Prinzip der Erleuchtung, da er wesenhaftes Licht und Urheber des Seins und Sehens selber ist. Dagegen ist das einzelne graduell übergeordnete Wesen für das nach ihm folgende nach positiver Anordnung und in Nachahmung Gottes Prinzip der Erleuchtung, sofern die göttlichen Lichtströme durch jenes auf dieses übergeleitet werden. Die höchste Ordnung der himmlischen Geister nun er- S. 68 kennen alle übrigen Engelnaturen mit Recht nächst Gott als die Quelle aller heiligen Gotteserkenntnis und Gottesnachahmung, da durch dieselbe auf alle Engel und auch auf uns die urgöttliche Erleuchtung verbreitet wird. Deshalb führen sie auch jede heilige und Gott nachahmende Tätigkeit auf Gott als ersten Urheber, auf die ersten, gottähnlichen Geister aber als auf die ersten Organe und Lehrer des Göttlichen zurück. Deshalb hat die erste Ordnung der heiligen Engel mehr als alle die Eigentümlichkeit des Erglühens und die (reich) ergossene Mitteilung der urgöttlichen Weisheit und die Erkenntniskraft für das höchste Wissen der göttlichen Einstrahlungen und besitzt das Charakteristische der Throne, das die offene Empfänglichkeit zur Aufnahme Gottes andeutet 1. Die Ordnungen der tieferstehenden Wesen haben zwar an der Kraft des Erglühens, an der Weisheit, der Erkenntnis, der Aufnahme Gottes Anteil, aber in einem verminderten Grade, indem sie auf die ersten Wesen schauen und durch sie, die in erster Wirkung der Nachahmung Gottes gewürdigt sind, zu der erreichbaren Höhe der Gottähnlichkeit erhoben werden. Daher führen sie die erwähnten heiligen Eigenschaften, an welchen vermittels der ersten Wesen die nach ihnen folgenden Anteil gewinnen, nächst Gott auf eben dieselben (ersten) als Hierarchen zurück.


  1. Vgl. oben Kap. VII, 1 und 2. ↩

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