Über den Taufritus.
*1) Zum Endziel der Hierarchie, d. i. der Einswerdung mit Gott durch möglichste Verähnlichung führt der S. 101 Weg der Gebote (Joh. 14, 23). 2) Den Ausgangspunkt dieses Weges bezeichnet die Taufe, die geistliche Geburt aus Gott, welche durch die Liebe eingeleitet und in der Schaffung eines neuen, göttlichen Seins in uns verwirklicht wird. 3) Wie das natürliche Sein die unerläßliche Voraussetzung für das natürliche Wirken ist, so kann es ohne die geistliche Wiedergeburt, d. h. ohne das neue, göttliche Sein kein übernatürliches Erkennen und Handeln geben. 4) Aufforderung an die Uneingeweihten sich zu entfernen; sie wird begründet
- a) aus der Natur der Sache, nämlich mit dem Hinweis auf das Schädliche eines solchen Unterrichtes bei mangelnder Disposition,
- b) mit dem Beleg von drei biblischen Beispielen: Ozias, Kore und Nadad mit Abiud. *
Wir haben also auf heilige Weise dargetan, daß dieses das Ziel unserer Hierarchie ist, nämlich unsere Verähnlichung und Einswerdung mit Gott, soweit es immer möglich ist; dahin werden wir aber nur, wie die göttliche Offenbarung lehrt, dadurch gelangen, daß wir die verehrungswürdigsten Gebote lieben und heilig betätigen. „Wer mich liebt“, sagt sie ja, „der wird mein Wort bewahren und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“1. Welches ist nun das Prinzip für die Betätigung der hochheiligen Gebote? Das ist die Verleihung unserer heiligen und göttlichsten Wiedergeburt, welche unsere Seelenverfassung auf das geeignetste für die Aufnahme der übrigen heiligen Lehren und Sakramente umgestaltet, die Wegbereiterin für unsern Aufstieg zur überweltlichen Ruhestätte. Denn wie unser gepriesener (geistlicher) Führer2 sagte, bildet die erste geistige Bewegung zum Göttlichen hin die Liebe Gottes. Das ursprünglichste Hervortreten der heiligen Liebe aber, welches auf die heilige Erfüllung der göttlichen Gebote abzielt, ist die unaussprechlichste Wirkung unseres göttlichen Seins.
S. 102 Wenn nun die göttliche Art des Seins identisch ist mit der Geburt aus Gott, dann möchte wohl derjenige, welcher die göttliche Art des Daseins gar nicht erlangt hat, auch nicht im Stande sein, von den Gottesgaben etwas zu verstehen oder zu betätigen. Oder müssen wir nicht auch, um nach Menschenweise zu sprechen, zuerst das Dasein besitzen und dann die uns zustehenden Tätigkeiten ausüben, da ja das reine Nichts keine Bewegung, ja gar kein Dasein hat, dasjenige aber, das nur mit irgend einem Sein begabt ist, bloß in seiner eigenen natürlichen Sphäre sich tätig oder leidend äußern kann. Doch das ist, denke ich, einleuchtend.
Im Folgenden wollen wir nun die göttlichen sinnbildlichen Zeremonien bei der Geburt aus Gott betrachten. Und daß mir kein Uneingeweihter zur Betrachtung herzutrete. Mit schwachen Augen in die sonnenerzeugten Strahlen zu blicken ist nicht ohne Gefahr und mit Dingen, die über uns liegen, sich zu befassen, ist nicht ohne Schaden, wenn anders die wahrhafte Hierarchie des Gesetzes den Ozias3 verabscheut, weil er seine Hand an das Heilige legte, und einen Kore4, weil er die Heiligen, die ihm übergeordnet waren, angriff, und einen Nadad und Abiud5, weil sie den ihnen obliegenden Dienst unheilig versahen6.
Joh. 14, 23. ↩
Vielleicht ist Röm. 5, 8 in freiester Wiedergabe aus dem Gedächtnis, wie so manche andere Stelle, zitiert. Der „gepriesene geistliche Führer“ wäre dann der heilige Paulus. Mehrere Erklärer denken an Hierotheus. ↩
2. Paralip. 26, 16—21. ↩
Num. 16, 11. ↩
Lev. 10, 1, 2. ↩
Ähnliche Aufforderungen an die „Uneingeweihten“ (ἀμύνητοι Dion. ἀτέλεστος), sich vor Beginn des mystagogischen Unterrichtes zu entfernen, sind bei Cyrillus von Jerusalem durchaus ernst gemeint (procat. 12, cat. 5, 12; cat. 6, 29 M. s. gr. 33, 353 A, 521, 589 A.). Bei D. können sie nur als stilistisches Beiwerk betrachtet werden. Man erinnere sich an die Art der schriftlichen, unter strengster Verschwiegenheit an Timotheus gerichteten Mitteilung am Schlusse des vorigen Kapitels. — Von den drei biblischen Beispielen finden sich zwei (Ozias und Kore) schon in den Constit. Apost. 2, 27. (Vgl die Ausgabe von F. X. Funk. Didascal et Constit. Apostol. vd. I Paderborn 1906). ↩
