I. Brief (an den Mönch Caius)
Die Dunkelheit schwindet (wird aufgehoben) durch das Licht, in höherem Grade durch viel Licht. Erkenntnisse lassen die Unwissenheit schwinden, in höherem Grade viele Erkenntnisse. Dies verstehe in überragendem Sinn, nicht im Sinn der Beraubung, und behaupte überwahr, daß verborgen ist denen, die das seiende Licht haben und die Erkenntnis des Seienden, das Nicht-Erkennen, das Gott gemäß ist; und die ihm überlegene Dunkelheit wird verdeckt durch alles Licht und entzieht sich aller Erkenntnis. Und wenn jemand, nachdem er Gott gesehen hat, erkennt, was er gesehen hat, hat er nicht Ihn gesehen, sondern etwas von Seinem Seienden (αὐτοῦ ὄντων) und Erkannten. Er selbst aber verbleibt über allem Geist (νοῦν) und allem Seienden (οὐσία); und eben durch dies allgemein Nicht-Erkanntwerden und Nichtsein ist Er überseiend und wird Er über- geistig (ὑπὲρ νοῦν) erkannt. Und das in gutem Sinne vollkommene Nicht-Erkennen ist das Erkennen dessen, der über allem Erkennbaren ist.
(Erläuterung zum »Nicht-Erkennen« Gottes in der Mystischen Theologie)