4. Kap. Der Sünder muß Reue haben, Buße tun und sich bessern, dann erhält er Vergebung von Gott.
Er, der für alle Sünden des Fleisches sowohl wie des Geistes, für die durch die Tat sowie für die nur im Willen begangenen, durch sein Gericht Strafen festgesetzt hat, derselbe hat auch Verzeihung auf dem Wege der Buße verheißen, indem er zum Volke sagte: „Tue Buße und ich will dich erretten“1, und wiederum: „So wahr ich lebe, spricht der Herr, ich will lieber die Buße als den Tod des Sünders“2. Mithin ist die Buße das Leben, da sie den Vorzug vor dem Tode hat. Tritt sie an, o Sünder, der du gesündigt hast wie ich, nein, S. 231weniger als ich - denn ich gestehe meinen Vorrang im Sündigen zu -, und umklammere sie so, wie ein Schiffbrüchiger einem Brett vertraut. Es wird dich, den in die Meeresfluten der Sünde Versenkten, emporheben und in den Hafen der göttlichen Erbarmung weitertragen. Ergreife die unerwartete glückliche Gelegenheit, damit du - einst nichts Besseres vor Gott als der Tropfen am Eimer, der Staub auf der Tenne und das Geschirr des Töpfers - von nun an werdest jener Baum, der an den Wassern gepflanzt ist, der immer grün bleibt, der zu seiner Zeit Früchte bringt, der das Feuer und die Axt nicht zu sehen bekommt! Deine Verirrungen mögen dich gereuen, nachdem du die Wahrheit gefunden, es möge dich reuen, geliebt zu haben, was Gott nicht liebt, da wir ja nicht einmal unsern Sklaven zu lieben erlauben, was uns zuwider ist. Denn der eigentliche Wesensgrund des Gehorsams besteht in Ähnlichkeit der Gesinnungen.
Allen Nutzen der Reue und Buße aufzuzählen, ist ein weitschichtiger und demgemäß eine große Beredsamkeit in der Behandlung erfordernder Stoff vorhanden. In Anbetracht unserer Unzulänglickeit wollen wir nur den einen Gedanken einprägen: was Gott befiehlt, ist gut, ja das beste. Ich halte es für eine Verwegenheit, darüber zu disputieren, ob eine Vorschrift Gottes gut sei. Nicht deswegen, weil sie gut ist, müssen wir auf sie hören, sondern weil sie eine Vorschrift Gottes ist. Für Leistung des Gehorsams kommt zuerst in Betracht die Erhabenheit der göttlichen Macht; erst kommt die Autorität des Befehlenden, dann der Vorteil des Gehorchenden, Ob es etwas Gutes sei, Buße zu tun oder nicht? Was sinnest du noch? Gott befiehlt es. Doch er befiehlt es nicht bloß, er ermahnt auch dazu, er ladet dazu ein durch Belohnung, durch das Heil, indem er sogar schwört mit den Worten: „So wahr ich lebe“; er wünscht also, daß man ihm glaube. O wir Glückliche, um derentwillen Gott schwört! O wir Unglückselige, wenn wir Gott nicht einmal auf seinen Schwur glauben! Was also Gott so sehr ans Herz legt, was er sogar nach Menschenweise mit einer Schwurformel beteuert, das S. 232müssen wir offenbar mit dem größten Ernst ergreifen und hüten, damit wir, in der Bewahrung der göttlichen Gnade verharrend, ebenso der Früchte und des Nutzens derselben versichert bleiben.
