3. Kap. Was der Christ von der körperlichen Schönheit und Anmut denken soll.
Nehmen wir nun aber an, eine edle Gestalt sei kein Grund der Besorgnis, und stellen wir uns vor, sie sei weder der Besitzerin lästig noch den danach Begehrenden gefährlich, nicht den Versuchungen ausgesetzt und nicht mit Ärgernissen umlagert, so genügt es, daß die Mägde Gottes1 sie nicht notwendig haben. Denn wo Sittlichkeit herrscht, da hat Schönheit keinen Zweck, weil sie eigentlich nur der Sinnenlust dient und dieselbe hervorruft. Oder erwartet jemand irgend einen ändern Dienst von der Anmut des Körpers? Ihre vorhandene Schönheit vermehren oder wenn ihnen keine verliehen ist, danach streben, das mögen die tun, welche, was von S. 190ihr erwartet wird, sich gestatten zu dürfen glauben, indem sie es ändern gewähren2. Es könnte jemand fragen: Wie, warum sollte es denn, nachdem der Sinnenlust der Laufpaß gegeben und die Keuschheit in ihrem Rechte anerkannt ist, nicht erlaubt sein, sich an dem bloßen Vorzuge einer schönen Gestalt zu ergötzen und sich des Besitzes eines wohlgestalteten Körpers zu rühmen? - So? Es sehe sich jeder vor, dem es Freude macht, sich des Fleisches zu rühmen3! Was uns angeht, so sind wir erstens gar nicht auf Ruhm bedacht, weil Rühm ein Mittel zur Selbsterhöhung ist. Selbsterhebung aber steht zufolge der Vorschriften Gottes denen, die sich zur Demut bekennen, nicht an. Zweitens, wenn schon jede Ruhmsucht töricht und dumm ist, dann erst recht das Rühmen im Fleische, für uns wenigstens. Denn wenn wir uns zu rühmen hätten, so müßten wir im Geiste den Guten zu gefallen suchen, nicht im Fleische, weil wir den geistigen Dingen nachstreben. Haben wir Freude an dem, worauf wir uns verlegt haben, suchen wir Ruhm zu ernten in dem, wovon wir unser Heil hoffen! Allerdings wird sich der Christ auch im Fleische rühmen, aber dann, wenn es, um Christi willen gemartert und zerrissen, ausharret, damit der Geist in ihm seine Krone erlangt, nicht aber, damit es die schmachtenden Blicke junger Leute auf sich ziehe. Daher wäre es billig, daß Ihr das, was bei Euch nach keiner Seite hin einen Zweck hat, gänzlich verachtetet, wenn Ihr es nicht besitzt, und vernachlässigtet, wenn Ihr es besitzt. Ein heiliges Weib, wenn es von Natur aus schön ist, werde also nicht zur Gelegenheit, Wenigstens darf sie, wenn sie einmal dazu werden sollte, dem keinen Vorschub leisten, sondern muß es verhindern.