8. Cap. Der Schöpfergott und der sogenannte neue Gott der Marcioniten.
Zuerst suchen die Marcioniten mit wichtiger Miene ein Staunen hervorzurufen darüber, dass sie einen neuen Gott ans Licht gefördert haben, als wenn wir uns unseres alten Gottes schämen müssten. Auch die Knaben brüsten sich mit ihren neuen Stiefelchen, aber bald bekommen sie wegen ihrer thörichten Eitelkeit von ihrem alten Pädagogen Schläge trotz ihrer neuen Stiefelchen.
Wenn ich also von einem neuen Gott höre, der in der alten Welt, in der alten Zeit und unter dem Regiment des alten Gottes unbekannt S. 139 und verborgen gewesen, und den, nachdem er in so und so viel früheren Jahrhunderten gar nichts gegolten und eben durch seine Verborgenheit veraltet war, ein gewisser Jesus Christus, der auch unter dem alten Namen eine neue Person sein soll, und vor ihm sonst niemand geoffenbart habe — dann bin ich ihnen recht dankbar für diese ihre Selbstzufriedenheit; denn sie ist mir ein gewaltiges Hilfsmittel und ich werde ihnen schon daraufhin Häresie nachweisen, nämlich die, dass sie eine neue Gottheit lehren. Da hätten wir also dieselbe Neuerung, die bei den Heiden die Götter hervorgebracht hat, auf den immer wieder erneuerten Titel einer Apotheose hin. Ein neuer Gott ist immer ein falscher. Nicht einmal Saturns Gottheit wird durch sein jetzt schon recht ansehnliches Alter erwiesen, da er ja auch einmal durch eine Neuerung hervorgebracht worden ist, nämlich damals, als man ihn zuerst als Gott apotheosierte. Die lebendige und echte Gottheit dagegen beruht weder auf der Neuheit noch auf dem Altertum, sondern auf der Wahrheit. Die Ewigkeit kennt keine Dauer; denn alle Zeit ist in ihr. Was man selbst hervorbringt, dem kann man nicht unterworfen sein. Was nicht geboren werden kann, kennt keine Altersstufen. Wenn Gott alt ist, so wird er einmal nicht sein; wenn er neu ist, so ist er einmal nicht gewesen. Das Neusein ist ein Beweis des Entstandenseins, das Alter lässt ein Ende befürchten. Gott aber ist so weit vom Neuentstandensein und vom Endenehmen entfernt, als von der Zeit überhaupt, nach welcher Anfang und Ende bemessen und gezählt wird.