10. Cap. Gott war den Menschen allzeit bekannt aus seiner Schöpfung.
Von Anbeginn der Dinge an wurde ihr Urheber mit ihnen in gleicher Weise wahrgenommen, da sie selbst eben zu dem Zwecke erschaffen wurden, um Gott erkennen zu lassen. Auch wenn der bedeutend später lebende Moyses der erste zu sein scheint, der im Tempel seiner Schriften von dem Weltschöpfer zu reden anfängt, so dürfen doch die Tage der beginnenden Gotteserkenntnis nicht erst vom Pentateuch an gerechnet werden. Denn die Feder des Moyses brachte uns überhaupt gar nicht die Gotteserkenntnis, sondern sie lehrt, dass dieselbe vom Uranfang an, von Adam und dem Paradiese, nicht erst von Moyses und Ägypten her zu datieren sei. Die grössere Mehrzahl des Menschengeschlechts kennt den Namen des Moyses ja gar nicht einmal, geschweige denn sein Schriftwerk; den Gott des Moses aber kennt sie doch. Obwohl die Idololatrie ein so grosses Gebiet mit ihrer Finsternis beherrscht, so unterscheidet man ihn doch, bezeichnet ihn sozusagen als den eigentlichen Gott, als „Gott der Götter“ und sagt: „Wenn Gott es so fügt“, „Was Gott gefällt“ und „Ich empfehle es Gott“. Sie werden ihn also wohl erkannt haben, wenn sie seine Allmacht bezeugen. Und diese Kenntnis verdanken sie nicht irgend einer Schrift des Moyses. Die menschliche Seele war früher als das Prophetentum. Denn das uranfängliche Wissen der Seele ist eine Mitgabe von Gott, sie ist bei den Ägyptern dieselbe wie bei den Syrern und den Bewohnern von Pontus. Denn sie bezeichnen den Gott S. 142 der Juden als den Gott der Seele. Also, Du Häretiker aus dem Barbarenland, mache nicht Abraham älter als die Schöpfung. Wäre der Demiurg auch nur der Gott einer einzelnen Familie gewesen, so war er doch nicht später als Dein Gott, er war auch den Leuten in Pontus schon früher als Dein Gott bekannt. Entnimm also Du Ungewisser von dem Vorgänger, dem gewissen, Du Unbekannter von dem Bekannten, die Gesetze der Analogie! Nie und nimmer wird ein Gott verborgen oder abwesend sein können. Immer wird er erkannt, immer gehört, immer gesehen werden, auf die Art, wie er gerade will. Gott hat seine Zeugnisse, nämlich alles, was wir sind und worin wir uns befinden. So bezeugt er sich denn als Gott und als alleiniger Gott, indem er durchaus nicht unbekannt ist, und der Beweis für den andern noch auf sich warten lässt.