12. Cap. Ein unbekannter Gott könnte nur ein solcher sein, der unthätig geblieben, darum also überhaupt nicht erkennbar ist.
Gesetzt aber, es wäre uns möglich, seine Existenz einzuräumen, dann müssten wir schliessen, er existiere ohne eigentliche Bestimmung. Denn eine zwecklose Existenz würde der führen, der kein Objekt hat, weil jedes Objekt voraussetzt, dass ein Eigentümer desselben existiere. So gut wie ferner nichts ohne Zweck sein darf, d. h. ohne Objekt — denn ein zweckloses Sein ist so gut wie gar kein Sein, indem das Objekt selbst kein Endziel des Objekts hat, — ebenso gut müsste ich annehmen, es sei anständiger, dass Gott gar nicht existiere, als dass er ein zweckloses Dasein habe. Zwecklos ist, was kein Objekt und darum kein Ziel hat. Gott aber darf ohne einen Zweck, d. h. ohne ein Objekt, nicht sein. So oft ich daher in der Voraussetzung, er existiere, beweise, dass seine Existenz eine zwecklose ist, so oft zeige ich damit, wie ich hier feststellen will, dass er gar nicht existiert; denn wenn er existiert, so würde er gewiss nicht ohne Zweck sein. Auch den Glauben würde er bei dieser Voraussetzung, behaupte ich daher, ohne Grund von den Menschen fordern, da dieselben gewohnt sind, auf eine andere Weise den Glauben an Gott zu gewinnen, nämlich infolge des gewaltigen Eindrucks seiner Werke; er aber hat für nichts von dem gesorgt, woraus der Mensch Kenntnis von Gott gewinnt. Denn selbst, wenn sehr viele an ihn glauben, so ist doch ihr Glaube damit nicht gleich ein begründeter, denn sie haben von ihm keine entsprechende Bürgschaft dafür, d. h. Werke, die eines Gottes würdig sind. Darum würde sein Benehmen wegen dieses Mangels an Schöpfungswerken an Unverschämtheit und Bosheit grenzen; an Unverschämtheit, weil er einen Glauben heischt, der ihm nicht gebührt und zu dessen Begründung er nichts gethan hat; an Bosheit, weil er den Unglauben so vieler Personen verschuldet, indem er nicht für Anhaltspunkte des Glaubens gesorgt hat.