25. Cap. Eine reine und sich teilnahmlos auf sich beschränkende Güte, nötigt eine Art Gott vorauszusetzen, wie der des Epikur. Ein solcher könnte aber auch das Erlösungswerk nicht unternehmen.
Was die Frage nach der Güte Gottes betrifft, so haben wir hiermit im Umrisse durchgeführt, dass diese Art Güte durchaus Gott nicht entspreche, weil sie weder ungeworden, noch vernünftig, noch vollkommen, sondern tadelnswert, ungerecht und sogar des Namens Güte S. 162 unwürdig ist. In dem Masse als eine solche Güte Gott wirklich zukäme, würde es angemessener sein, dass ein Gott gar nicht existiere, dem wegen einer solchen Güte sogar ein Vorzug beigelegt würde, und zwar nicht bloss um ihretwegen, sondern noch dazu um ihretwegen allein. Denn auch die Frage verdient nun erörtert zu werden, ob die Güte allein hinreiche, um ihm das Prädicat „Gott“ beizulegen, wenn ihm die sonst dazu gehörenden Gesinnungen und Affekte abgesprochen werden, welche die Marcioniten von ihrem Gott auf den Demiurgen übertragen, die wir aber als Gottes würdig auch bei dem Schöpfer anerkennen.
Auch infolge davon leugnen wir, dass er Gott sei, weil feststeht, dass sich in ihm nicht alle Gottes würdigen Eigenschaften vorfinden. Wenn er etwa bemüht war, den Gott der Schule Epikurs mit dem Namen Christi zu schmücken, weil jenes Wesen selig und unvergänglich sei, weder sich noch andern beschwerlich falle — denn diese Idee kaut Marcion beständig wieder und die Folge davon ist, dass er Gott die Strenge und die Macht, zu richten, abspricht, — dann hätte er lieber sollen die Idee eines vollständig unbeweglichen und starren Gottes annehmen. — Was hätte aber diese mit einem Christus zu schaffen, der den Juden mit seiner Lehre und sich selbst durch seine geistige Beschaffenheit beschwerlich fällt? — Oder drittens er hätte ihn auch in Hinsicht seiner sonstigen Regungen anerkennen müssen, — was hätte aber dieser Gott dann mit Epikur zu schaffen, da er weder sich noch den Christen notwendig ist? Denn siehe, früher verhielt er sich ganz ruhig und war auch nicht bemüht, durch irgend eine Schöpferthat Kunde von sich zu geben, nach langer, langer Zeit aber fühlte er Interesse für das Heil des Menschen, natürlich vermöge seines Willens. — Wurde er damit nicht bewegbar durch eine neue Willensrichtung und folglich auch für andere Regungen empfänglich? Welche Willensregung aber könnte ohne den Antrieb des Begehrungsvermögens zu stande kommen? Wer will etwas, ohne danach zu begehren?
Ja, auch die Sorge tritt zum Willen hinzu. Denn wer kann etwas wollen, was er zugleich angelegentlich begehrt, ohne darum bekümmert zu sein? Wollte und begehrte Gott folglich des Menschen Heil, so hat er damit auch sich selbst und andern Mühe gemacht, was Epikur nicht zugeben will, Marcion aber anrät. Wogegen aber sein Wille, sein Verlangen und seine Sorge gerichtet ist, das hat er selber auch für seinen Feind erklärt, sei es nun die Sünde oder der Tod, vor allem aber den Herrn und Gebieter dieser Hemmnisse, den Schöpfer des Menschen. Wo Gegner vorhanden sind, da wird es aber nicht ohne Feindschaft abgehen. Wenn dieser Gott daher den Willen und das Verlangen hat und Sorge trägt, den Menschen zu befreien, so nimmt er damit auch die Eigenschaft eines Feindes desjenigen an, aus dessen Gewalt er befreien will; denn er will S. 163 ja den Menschen von jenem für sich erlösen, so wie auch gegen das, wovon er befreien will; denn er will ihn ja für etwas anderes befreien. Ebenso muss seine Feindschaft gegen das, was er befeindet, notwendig durch die Äusserungen der Feindschaft unterstützt werden, durch Zorn, Zwietracht, Hass, Abscheu, Unwillen, Ärger, Abneigung und Widerwillen. Wenn dieses alles der Feindschaft hilfreich zur Seite steht, die Erlösung des Menschen aber auf Gegensätzlichkeit beruht, selber aber eine Bethätigung der Güte ist, dann wird eine solche Güte auch nicht ohne ihre Hilfsmittel bestehen können, d. h. ohne die Gefühle und Stimmungen, wodurch die Erlösung im Gegensatz gegen den Demiurgen bewirkt wird. Sonst würde sie auch aus dem Grunde als unvernünftig dastehen, weil sie der nötigen Gefühle und Stimmungen entbehrt. Diese Vorwürfe werden wir noch viel eingehender erörtern bei der Verteidigung des Schöpfers, wo sie auch erhoben werden.