28. Cap. Alle Heilsveranstaltungen und Sakramente verlieren im Marcionitischen System ihre Bedeutung.
Welches Schicksal aber trifft die Verworfenen? Sie werden, lautet die Antwort, vom Feuer des Demiurgen ergriffen. Also der andere Gott besitzt nicht einmal ein Element, das zu diesem Zwecke dienlich wäre, wohin er seine Sünder — auch ohne Zorn — verweisen könnte und muss sie dem Demiurgen zuschicken? Was wird der Demiurg nun thun? Vermutlich wird er für sie eine etwas stärker geschwefelte Hölle bereit halten, weil sie gegen ihn selbst geschimpft haben, falls er mit ihnen nicht etwa als eifersüchtiger Gott deshalb schonender umgeht, weil sie von seinem Gegner abgefallen sind. Wahrlich, dieser Gott handelt überall verkehrt, überall unvernünftig, in allem thöricht; folglich ist er gar keiner. Bei ihm sehe ich kein Wesen, keine Beschaffenheit, keine Natur, keine Ordnung, die Bestand hätte, endlich noch nicht einmal ein Sakrament seines Glaubens.
Denn wozu wird bei ihm auch die Taufe verlangt? Gibt es eine Nachlassung der Sünden, so frage ich, wie soll der Sünden nachlassen können, der, wie es scheint, keine vorbehält? Vorbehalten würde er sie, wenn er Richter wäre. Wenn die Freisprechung eine Freisprechung vom Tode ist, wie kann der vom Tode freisprechen, der nicht zum Tode gefesselt hat. Zum Tode gefesselt hätte er aber nur dann, wenn er der wäre, der von Anfang an die Verdammung ausgesprochen hat. Wenn es eine Wiedergeburt des Menschen gibt, wie kann der die Wiedergeburt vollbringen, der an der Geburt unbeteiligt ist? Von einer Wiederholung kann bei dem keine Rede sein, der die Sache noch kein Mal gethan hat. Gibt es eine Erlangung des heiligen Geistes, so frage ich, wie kann der der Seele den Geist erteilen, der nicht zuvor die Seele selbst mitgeteilt hat. Die Seele ist ja gleichsam die Unterlage des Geistes. Er besiegelt also den Menschen, der niemals bei ihm entsiegelt war; er erteilt dem Menschen die Abwaschung, obwohl er vor seinen Augen niemals befleckt war; er taucht in dieses ganze Heilssakrament einen Leib ein, der des Heils beraubt bleibt. Kein Landmann aber wird ein Feld berieseln, das ihm keine Frucht bringen kann; er müsste denn so dumm sein wie der Gott Marcions.
Ebenso frage ich, warum legt er dem Leibe, wenn derselbe so gebrechlich und so unwürdig ist, die Pflicht der Heiligkeit auf, eine so grosse Last oder Auszeichnung? Was soll ich von der Zwecklosigkeit der S. 167 Sittenzucht sagen, wodurch er eine heilige1 Substanz heiligt? Aus welchem Grunde legt er einem schwachen Wesen eine Bürde auf und gibt einem Unwürdigen eine Auszeichnung? Warum belohnt er das Wesen, welches er mit einer Bürde oder Auszeichnung versehen hat, nicht mit dem Heile? Warum unterschlägt er ihm den Lohn seiner Werke, indem er dem Leibe das Heil nicht verleiht? Warum lässt er zu, dass auch der Ruhm der Heiligkeit in ihm sterbe?
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Die Seele allein, indem ja nach marcionitischer Lehre der Leib keinen Teil an der Unsterblichkeit hat. ↩