1. Cap. Nachdem Marcions sog. Gott der reinen Güte beseitigt ist, bleibt kein anderer Gott mehr übrig als der Weltschöpfer, der nun ins Auge zu fassen ist.
S. 172 Die dargebotene Gelegenheit, diese Schrift — über deren Schicksale wir in der Einleitung zum ersten Buche gesprochen haben — neu zu bearbeiten, hat uns auch den Vorteil gebracht, bei abermaliger Behandlung der beiden Götter Marcions für jeden eine besondere Überschrift und ein besonderes Buch geben zu können, entsprechend der Einteilung des Gegenstandes, wonach wir behaupten, dass der eine dieser beiden Götter gar nicht existiere, dem andern dagegen die Gottheit in würdiger Weise beigelegt werde. So hat es nämlich dem Manne aus Pontus beliebt, den einen neu einzuführen, den andern auszuschliessen. Denn es wäre ihm nicht möglich gewesen, die Lüge aufrecht zu erhalten, ohne die Wahrheit zu zerstören. Er musste erst anderes zerstören, um sein beabsichtigtes Gebäude aufrichten zu können. So baut man, wenn man die Erfordernisse dazu nicht selbst besitzt.
Es war aber nur das notwendig ins Reine zu bringen, dass jener Gott, den er dem Weltschöpfer überordnet, gar nicht existiere; denn nach Beseitigung des falschen Gottes brauchte, da zuverlässige Grundsätze nur eine einzige und vollkommene Gottheit zulassen, über den wahren Gott gar keine Frage mehr erhoben zu werden. Je gesicherter seine Existenz auch aus dem Grunde war, weil die Nichtexistenz des andern erwiesen ist, um so dringender wäre die Pflicht gewesen, an ihm, wer er auch immer sein mag, ohne Streitfrage festzuhalten, ihn anzubeten, ohne über ihn zu urteilen, ihn sich geneigt zu machen, aber nicht über ihn zu grübeln, besser noch, ihn wegen seiner Strenge zu fürchten. Denn was gab es etwa noch Notwendigeres für den Menschen, als sich um den wahren Gott zu bekümmern, dem er, weil es keinen andern Gott gibt, sozusagen verfallen ist?