4. Cap. Zwei höchste Güter können auch dann nicht gleichzeitig existieren, wenn man sie sich getrennt und unabhängig von einander denken wollte.
Nun könnte man argumentieren, dass zwei höchste Güter neben einander bestehen, ist möglich, wenn sie getrennt und gesondert sind, jedes in seinem Gebiete, sich dafür auf die Analogie der irdischen Reiche S. 134 beziehen, deren es an Zahl so viele gibt und die doch, jedes in seinem Gebiete, als höchste Grösse existieren, und der Ansicht sein, man müsse überall die göttlichen und menschlichen Einrichtungen in Vergleich setzen. Wird dieser Sophisterei Raum gegeben, so steht nichts im Wege, sofort nicht bloss einen dritten und vierten Gott aufzustellen, sondern so viele, als es Könige und Völker gibt! Es handelt sich hier um Gott, dessen wichtigste Eigentümlichkeit darin besteht, keine Zusammenstellung mit irgend einer Analogie zu dulden. Darin besteht seine Natur, wofern nicht Isaias, sondern vielmehr Gott selbst durch Isaias spricht: „Mit wem willst du mich vergleichen?“1 . Die menschlichen Dinge werden wohl mit den göttlichen verglichen werden können, aber nicht mit Gott. Denn Gott ist wieder etwas anderes als die göttlichen Dinge. Wenn man sich der Analogie des Königs als eines höchsten Gutes bedient, so sehe man zu, ob das auch noch angeht! Der König nämlich ist die höchste Grösse auf seinem Throne bis hinauf zu Gott, aber doch immer unter Gott; mit Gott verglichen, verliert er sofort den Charakter einer höchsten Grösse, und dieser geht auf Gott über. Wie kommt man also dazu, sich dieser Analogie zu bedienen zu einer Vergleichung mit Gott, da sie doch, sobald es zur Vergleichung mit Gott kommt, hinfällig wird? Und wie wenn die höchste Grösse auch bei Königen nicht einmal als eine vielfältige angesehen werden darf, sondern als etwas einziges und vereinzeltes, das sich nämlich nur bei dem findet, welcher wegen seiner höchsten Erhabenheit und der Unterordnung der übrigen Stufen gleichsam auf dem Gipfel der Herrschergewalt stehend als König der Könige gilt!? Auch dann, wenn Könige von einer andern Regierungsform, die einzeln für sich aber in einheitlichem Reichsverbande die Herrschaft führen, wenn sie sich mit ihren, so zu sagen, Duodezreichen von allen Seiten zusammenfinden, um durch eine Probe festzustellen, wer von ihnen an Machtmitteln der Regierung und Reichtümern höher stehe, so muss sich die höchste Macht schliesslich auf einen concentriren, indem im Verlauf der Vergleichung einer nach dem andern von dem Gipfel der Macht entfernt und beseitigt wird. Also auch wenn die höchste Grösse in der Zersplitterung als eine vielfältige erscheint, auch dann ist sie der Macht, Natur und Wesenheit nach nur eine einzige. Ebenso wenn zwei Götter zusammengestellt werden, wie etwa zwei Könige, und zwei höchste Grössen, so muss das Resultat einer angestellten Vergleichung, die Einheit der höchsten Grösse, dem einen oder dem andern zufallen. Denn infolge ihres Sieges steht sie als höchste da, indem sie die andere ihr feindliche Grösse, aber nicht höchste Grösse, überwunden hat, und da sie nun keine Nebenbuhlerin mehr hat, so behauptet sie infolge der Singularität ihrer Vorzüge eine S. 135 gewisse Einzigkeit und steht allein da. Diese unwiderstehliche Verknüpfung der Dinge zwingt zu dem Urteil: Entweder muss man leugnen, Gott sei das höchste Gut, was kein Vernünftiger thun wird, oder keinen andern an dieser Eigenschaft teilnehmen lassen.
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Is. 40, 18, 25. ↩