5. Cap. Denn es könnten dann ebenso gut mehr als zwei existieren. Zwei einander völlig gleiche höchste Wesen annehmen, hiesse nichts weiter, als unnötigerweise denselben Begriff verdoppeln, und würde hinsichtlich der ihnen schuldigen Verehrung Schwierigkeiten machen.
Oder welcher Grund ist denn vorhanden, zwei höchste Güter zusammenzustellen? Denn ich frage erstens, wenn man zwei höchste Güter aufstellt, warum nicht noch mehr? Denn wenn bei der göttlichen Wesenheit einmal die Pluralität anwendbar ist, so müsste man sie sich doch noch reicher denken. Da ist Valentinus, der auch zwei Götter, den Bythos und die Sige, neben einander zu denken wagte, doch nobler und freigebiger; denn er setzte einen Götterschwarm von 30 Äonen in die Welt, als wäre er das Mutterschwein des Äneas.1 Alle Gründe, welche verbieten, mehrere höchste Wesen anzunehmen, gelten auch bei zweien; denn zwei sind schon mehr als eins. Von der Eins an beginnt nämlich das Zählen. Was der Zulassung von zweien günstig ist, spricht auch für mehrere. Denn nach der zwei folgt die Vielheit, da die Einheit bereits überschritten ist. So lässt uns dieser Beweis infolge seines Wortlautes selbst ebensowenig mehrere Götter annehmen, als der vorhin ausgesprochene Grundsatz, welcher einen einzigen Gott statuiert, zwei Götter, da ihm zufolge dasjenige Gott sein muss, dem man als dem höchsten Gute nichts gleichstellen kann, dasjenige aber, dem man nichts gleichstellen kann, einzig in seiner Art ist.
Für wen sollen denn, frage ich jetzt weiter, zwei höchste Grössen, zwei gleiche Wesen von Wert und Nutzen sein? Was liegt denn an der Zahl? Zwei völlig gleiche Dinge sind ja von einem nicht verschieden. Denn was in völliger Identität in zwei Exemplaren existiert, das ist nur ein Ding. Und wenn noch mehr solche gleiche Dinge da wären, so würden sie alle nur eins bilden, indem sie sich — weil völlig gleich — durch nichts unterscheiden. Wenn ferner keins vom andern verschieden ist, so sind beide sofort auch höchste Güter und beide als solche Götter.2 Keins hat vor dem andern einen Vorzug, und es existirt kein Grund, warum ihrer mehrere sein sollten, da keins einen Vorzug zeigt.
Eine Mehrzahl in der Gottheit aber dürfte nur bei den allerwichtigsten Gründen bestehen können, schon darum, weil ihre Verehrung dadurch in einen ungewissen Zustand geriete. Denn wenn ich zwei Götter wahrnehme, die ebenso beide Gott als beide höchstes Gut sind, was würde ich dann thun, wenn ich sie beide verehre? Ich müsste fürchten, überflüssige Diensterweisung könnte eher für Aberglauben als für Religiosität S. 136 gelten; denn ich könnte sie mir, da sie beide ganz gleich und eins im andern enthalten sind, durch einen Akt geneigt machen. Damit würde ich gerade für ihre Gleichheit und für ihre Einheit ein Zeugnis ablegen, indem ich den einen im andern verehre, weil sie für mich zwei in einem sind. Wenn ich aber nur einen von beiden verehrte, so würde ich befürchten müssen, damit die Mehrheit zu verunehren, die, wenn man keinen Unterschied setzt, überflüssig ist. Das wäre so viel, als die Ansicht, keinen von beiden verehren zu sollen, würde mehr Sicherheit bieten, als den einen mit Besorgnis, oder beide vergebens zu verehren.