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Werke Tertullian (160-220) Adversus Marcionem Die fünf Bücher gegen Marcion. (BKV)
Drittes Buch

8. Cap. Die Lehre Marcions über den Scheinleib Christi. Sie macht das ganze Christentum zu einem blossen Schein.

Nun sollen aber die Häretiker aufhören, ihr Gift vom Juden zu borgen, wie die Natter von der Viper, wie man sprichwörtlich sagt, und jetzt das Gift ihrer eigenen Erfindung von sich spritzen, nämlich die Behauptung, Christus sei ein Phantasma. Freilich dürfte auch diese Lehre andere Urheber haben, nämlich jene nicht ganz gar gebackenen und etwas zu früh auf die Welt gekommenen Marcioniten,1 jene Leute, welche der Apostel Johannes Antichristen genannt hat, weil sie leugneten, dass Christus im Fleische erschienen sei, ohne aber darum noch einen andern Gott zu statuieren, weil auch dies sonst vom Apostel gerügt worden wäre, sondern sie hielten einen Gottmenschen für etwas Unglaubliches.

Um so begieriger hat sich Marcion jene Annahme angeeignet. Er konnte die leibliche Substanz Christi nämlich mit mehr Erfolg dann leugnen, wenn er die Lehre einführte, sein Gott habe das Fleisch weder erschaffen, noch lasse er es auferstehen. Derselbe ist dann natürlich auch in diesem Stücke die reine Güte und von den Lügen und Täuschungen S. 225 des Schöpfergottes weit entfernt. Damit nun also sein Christus nicht lüge, nicht täusche, und darum nicht etwa als zusammengehörig mit dem Schöpfer angesehen werde, so war derselbe das nicht, als was er erschien und was er zu sein heuchelte, Fleisch und doch kein Fleisch, Mensch und doch kein Mensch, ebenso der Gott Christus und doch kein Gott. Denn warum sollte er denn nicht auch eine Scheingottheit an sich getragen haben? Oder soll ich ihm etwa noch hinsichtlich seines innern Wesens glauben, wenn ich in betreff seines Äussern getäuscht worden bin? Wie könnte man ihn in heimlichen Dingen für wahrheitsliebend halten, da er sich in offenkundigen Sachen als Betrüger gezeigt hat?

Wie aber war es möglich, dass er in seiner Person einen wirklichen Geist und einen trügerischen Leib verband und sich so die vom Apostel abgewiesene Gemeinschaft von Licht, d. h. Wahrheit und von Finsternis, d. h. Betrug in seiner Person selber zu schulden kommen liess? Wenn das Fleisch sich an Christo als ein Trugbild erweist, so folgt schon jetzt, dass alles, was er mittels des Leibes that, Lügen waren, sein Gehen, Berühren, Essen und sogar seine Wunder. Wenn er nämlich jemanden durch eine Berührung von einem Fehler befreite oder wenn er von jemand berührt wurde, so kann das leiblich Geschehene als wirklich geschehen nicht angesehen werden, wofern sein Leib selbst kein wirklicher war. Denn durch etwas Materielles konnte nicht etwas Wesenloses und Greifbares nicht durch etwas Ungreifbares geschehen. Ist die Erscheinung eine bloss vermeintliche, dann auch ihre Verrichtungen; ist der Handelnde bloss eingebildet, dann auch seine Handlungen. Ebenso wenig Glauben werden die Leiden Christi verdienen. Denn wer nicht wirklich litt, der hat nichts gelitten; ein blosses Phantasma aber konnte nicht wirklich leiden. Also ist es mit dem ganzen Wirken Gottes aus. Der ganze Nutzen und Gewinn des Christentums, der Tod Christi, wird geleugnet, obwohl ihn der Apostel so nachdrücklich empfiehlt, nämlich seinen wirklichen Tod, den er zur Grundlage des Evangeliums, unseres Heiles und seiner Predigt gemacht hat. „Ich habe euch“, sagt er, „vor allem gelehrt, dass Christus für unsere Sünden gestorben, begraben und am dritten Tage wieder auferstanden ist“.2 Wenn ihm also die Leiblichkeit abgesprochen wird, so kann man auch seinen Tod nicht mehr behaupten. Denn das Sterben ist eine Eigentümlichkeit des Leibes, welcher nach einem Gesetze seines Erschaffers durch den Tod zur Erde wiederkehrt, von der er genommen ist.

Wenn aber mit der Leugnung seines Leibes auch sein Tod geleugnet ist, so steht auch seine Auferstehung nicht mehr fest. Er ist dann aus S. 226 demselben Grunde nicht auferstanden, aus welchem er nicht gestorben ist; nämlich weil er keinen wesenhaften Leib hat, dessen Sache das Sterben sowohl als das Auferstehen ist. Sowie die Auferstehung Christi in Frage gestellt wird, ist auch die unsrige beseitigt. Denn wenn die Auferstehung Christi selber nichts gilt, so wird auch die nichts gelten, um derentwillen Christus gekommen ist. Denn wie die, welche lehrten, es gebe keine Auferstehung, vom Apostel mit der Auferstehung Christi widerlegt werden, so fällt umgekehrt mit der letztern die Auferstehung der Toten. So wäre denn vergeblich unser Glaube, vergeblich auch die Predigt der Apostel,3 und die, welche von Gott bezeugten, er habe Christum auferweckt, stehen sogar als falsche Zeugen da, indem er ihn doch nicht auferweckt hat. Wir sind auch noch in unsern Sünden, und die in Christo Entschlafenen sind zu Grunde gegangen; sie werden allerdings auferstehen, aber vielleicht als Scheinwesen, wie Christus auch.


  1. Die Häretiker der Apostelzeit. ↩

  2. I. Kor. 15, 3. 4. ↩

  3. I. Kor. 15, 13 ff. ↩

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Die fünf Bücher gegen Marcion. (BKV)
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