7. Cap. Fortsetzung und Abschluss dieses Nachweises.
In Erwiderung darauf wirst Du nun versuchen, diese Bedenklichkeiten in betreff der Bezeichnung Gott niederzuschlagen mit dem Hinweis auf ihre Allgemeinheit und die Erlaubtheit, sie auch andern Wesen beizulegen, weil geschrieben steht: „Der Gott der Götter stand in der Versammlung der Götter und richtete darin die Götter“ und: „Ich sprach, Ihr seid Götter“.1 Den Genannten kommt aber die Eigenschaft eines höchsten Gutes trotzdem nicht zu, weil sie den Beinamen Götter erhalten, mithin auch nicht dem Demiurgen.
Ich habe auch eine Antwort für den Thoren, der nicht einmal so viel Einsicht hat, zu bedenken, ob dieselbe Bemerkung nicht auch gegen den eigentlichen Gott Marcions angewendet werden könne, auch er führe den Namen Gott, ohne dass der Beweis geliefert sei, er sei wirklich das höchste Gut, so wenig wie die dem Demiurgen angehörenden Engel und Menschen. Wenn die Gemeinsamkeit der Namen ein Präjudiz für die Beschaffenheit bildet, so frage ich, wie viele nichtsnutzige Sklaven gereichen nicht dem Namen ihrer Könige zur Schande, einem Alexander, Darius, Holofernes? Darum wird den Königen aber doch noch nicht genommen, was sie sind. Auch die Götzenbilder heissen ja gemeinhin Götter; allein niemand ist schon darum Gott, weil er Gott heisst. So mache ich es denn auch hinsichtlich des Weltschöpfers, ich nehme nicht für den Namen Gott, nicht für das Wort oder die Schriftzüge die Eigenschaft, höchstes Gut zu sein, in Anspruch, sondern für die Substanz, der dieser Name zukommt. Diese allein finde ich ungeschaffen, ungeworden, ewig und Urheberin des Weltall; nicht dem Namen, sondern dem Wesen, nicht der Benennung, sondern ihrem Sein schreibe ich es zu und lege ich die Eigenschaft bei, das höchste Gut zu sein. Und darum, weil diese S. 138 Substanz, der ich es zuschreibe, diesen Namen bereits besitzt, darum meinst Du, ich schriebe es dem letztern zu, weil es nicht zu umgehen ist, dass ich durch den Namen zu erkennen gebe, welcher Substanz ich ihn zuschreibe, nämlich der, aus welcher besteht, wer Gott heisst, und die Eigenschaft, höchstes Gut zu sein, wird ihm wegen seiner Substanz, nicht um des Namens willen beigelegt. So macht es auch Marcion; wenn er seinem Gotte diese Eigenschaft beilegt, so legt er sie ihm in Hinsicht auf seine Substanz, nicht etwa wegen seines Namens bei.
Also die Eigenschaft, höchstes Gut zu sein, wie wir sie Gott beilegen infolge seiner Substanz, nicht auf den blossen zufälligen Namen hin, die muss, behaupten wir, in gleicher Weise in den beiden Wesen vorhanden sein, die aus der Substanz bestehen, infolge deren man Gott heisst. Denn wie sie den Namen Götter führen, d. h. höchste Güter, natürlich als ungeschaffene, ewige und darum grosse, ja die grössten Substanzen, so kann nach derselben Massgabe ein höchstes Gut nicht für niedriger und geringer gehalten werden, als irgend ein anderes höchstes Gut. Wenn die dem höchsten Gut zukommende Seligkeit, Erhabenheit und Unabhängigkeit dem Gotte Marcions inne wohnen sollte, so wird sie ebensogut auch dem unsern inne wohnen; wenn sie aber dem unsern nicht inne wohnt, dann ebensowenig dem des Marcion. Folglich würden zwei höchste Güter nicht gleich sein können; daran hindert der bereits für das höchste Gut, das keine Gleichstellung zulässt, angenommene Grundsatz. Sie werden auch nicht von einander verschieden sein dürfen, weil dem wieder ein anderer für das höchste Gut geltender Grundsatz in den Weg tritt, nämlich der, dass es keine Verminderung duldet.
Da schwebst Du nun, Marcion, mitten in der Sturmflut Deines Pontusmeeres! Von beiden Seiten stürzen die Wogen der Wahrheit über dich herein. Weder gleiche noch ungleiche Götter zu behaupten, bist Du imstande. Denn es gibt keine zwei. Das gehört recht eigentlich zu dem Bedenken hinsichtlich der Zahl. Obwohl der ganze Streit sich eigentlich um die zwei Götter dreht, so haben wir ihn doch jetzt in diese Grenzen eingeschränkt, wo wir den Kampf über ihre einzelnen Eigenschaften beginnen werden.
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Ps. 81, 1. 6. [= Ps. 82, 1. 6.] ↩