49. Cap. Ob alle Menschen Träume haben?
Diejenigen, welche der Ansicht sind, die unmündigen Kinder träumten nicht, obwohl sie sonst alle Lebensverrichtungen nach Maassgabe ihres Alters vollziehen, die mögen das Zusammenfahren, Nicken und Lächeln derselben während der Zeit der Ruhe beobachten, um daraus zu erkennen, dass die Bewegungen der träumenden Seele durch den zarten Leib mit Leichtigkeit bis zur Oberfläche hindurchdringen.
Aus dem Gerüchte, das Volk der Libyer im Atlasgebirge bringe die Nacht in einem nichts sehenden Schlafe hin, macht man auch Schlüsse in betreff der Natur der Seele. Nun aber ist Herodot1 entweder durch die Fama, die öfters die Barbaren verleumdet, belogen worden oder es besitzt in jenem Landstriche eine gewaltige Menge der betreffenden Dämonen die Herrschaft. Wenn nämlich, wie Aristoteles bemerkt, ein gewisser Heros in Sardinien die Leute, die in seinem Tempel schlafen, der Traumgesichte beraubt, so wird es zu den Vergnügungen der Dämonen gehören, Träume sowohl zu nehmen als auch zu geben, so dass sowohl die Erscheinung, dass Nero spät träumte, als auch die bei Thrasymedes beobachtete von ihnen herrührt.2
Wir aber leiten auch die Träume von Gott ab. Warum sollten daher nicht auch die Atlasbewohner mit Gottes Hilfe träumen, schon darum, weil jetzt kein Volk mehr ganz von Gott verlassen ist, da das Licht des Evangeliums seine Strahlen schon in alle Länder und bis zu den Grenzen des Erdkreises sendet? Fama hat3 also den Aristoteles belogen, oder es ist noch immer so die Art und Weise der Dämonen. Nur die Meinung darf nicht bestehen, dass irgend eine Seele von Natur aus des Träumens entbehre.