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Œuvres Grégoire Ier, pape (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

XIV. Kapitel: Wie man Schweigsame und wie man Geschwätzige zu ermahnen hat

Anders muß man die allzu Schweigsamen, anders die Geschwätzigen ermahnen. Den zu Schweigsamen muß man zu verstehen geben, daß sie bei ihrer unvorsichtigen S. 169 Flucht vor eigenen Fehlern unvermerkt in noch schlimmere geraten. Oft haben sie bei ihrer Wortkargheit doch im Herzen ein großes Gerede, weil die Gedanken um so heftiger und stärker werden, je mehr sie ein unangebrachtes Stillschweigen eingeschlossen hält. Um so weiter schweifen dann die Gedanken, da sie sich vor fremden Tadlern sicher wissen. Dadurch wird dann die Seele manchmal hochmütig und schätzt diejenigen gering, die sie reden hört, gleich als ob sie im Guten schwach wären. Sie merkt aber nicht, wie sie in ihrem Stolz allen Fehlern Zugang gewährt, während sie den leiblichen Mund geschlossen hält. Die Zunge wird im Zaume gehalten, aber der Geist wird stolz, und weil man auf die eigenen Fehler nicht achtet, hat man im Innern alle andern Leute um so mehr anzuklagen, je verborgener es geschieht. Man muß also die zu Schweigsamen ermahnen, sie sollten sich sorgfältig klarzumachen suchen, nicht bloß wie ihr äußeres, sondern auch wie ihr inneres Verhalten geartet sein müsse, und sie sollten noch mehr das geheime Gericht Gottes wegen ihrer Gedanken als den Tadel der Menschen wegen ihrer Reden fürchten. Denn es steht geschrieben: „Mein Sohn, habe acht auf meine Weisheit und neige dein Ohr zu meiner Klugheit, damit du deine Gedanken bewahrest.“1 Denn nichts ist flüchtiger in uns als das Herz, das uns so oft verläßt, als es sich in bösen Gedanken zerstreut. Darum sagt der Psalmist: „Mein Herz hat mich verlassen.“2 Darum spricht er, als er sich selbst wieder findet: „Dein Knecht hat sein Herz gefunden, um dich zu bitten.“3 Wenn man also seine Gedanken bewacht und im Zaume hält, findet man das flüchtige Herz.

Müssen die Schweigsamen aber irgendeine Ungerechtigkeit ertragen, dann wird ihr Schmerz um so größer, je weniger sie davon reden. Würden sie sich mit Ruhe über erlittenes Unrecht aussprechen, so würde der Schmerz aus ihrem Innern weichen. Denn eine geschlossene S. 170 Wunde verursacht größeren Schmerz. Tritt der Eiter, der innen die Hitze bewirkt, heraus, so ist dem Schmerz Luft gemacht, und die Heilung beginnt. Die allzu Schweigsamen müssen also bedenken, ob sie nicht bei den Leiden, die sie zu erdulden haben, durch ihr Schweigen den Schmerz noch steigern. Wenn sie den Nächsten lieben wie sich selbst, so brauchen sie ihm durchaus nicht zu verschweigen, worüber sie sich mit Recht beklagen können. Beiden gereicht dies in solchem Falle zum Heil, indem es den Beleidiger von seiner üblen Handlungsweise abhält und dem Beleidigten die Heftigkeit des Schmerzes mindert, da ihm ein Ausweg geschaffen wird. Denn wenn man das Böse am Nächsten sieht und doch im Stillschweigen verharrt, so ist das gerade so, als ob man eine Wunde gesehen und das Heilmittel ferngehalten hätte und schließlich Ursache am Tode eines andern würde, weil man das Übel nicht heilen wollte, obschon man konnte. Man muß also die Zunge mit Klugheit im Zaume halten, nicht sie in unlösbare Fesseln schlagen. Denn es heißt: „Der Weise schweigt bis zur schicklichen Zeit“,4 um nämlich, wenn er es für gelegen erachtet, das Schweigen zu brechen und durch geziemende Rede zu nützen. Ferner steht geschrieben: „Schweigen hat seine Zeit, und Reden hat seine Zeit.“5 Mit Klugheit muß man nämlich die rechte Zeit wählen, damit man nicht, wo man schweigen sollte, seine Worte vergeude, oder wo ein Wort von Nutzen wäre, sich in träges Stillschweigen hülle. Dies hat der Psalmist im Auge, wenn er sagt: „Setze, Herr, meinem Munde eine Wache und feste Tore an meine Lippen ringsum!“6 Er bittet nicht um eine Mauer um seine Lippen, sondern um eine Türe, die man auf- und zumachen kann. Darum müssen wir ernstlich lernen, auf bescheidene Weise und zur rechten Zeit den Mund zur Rede zu öffnen und ebenfalls zur rechten Zeit zu schweigen.

Dagegen muß man die Geschwätzigen ermahnen, wohl S. 171 darauf zu achten, wie weit sie sich vom rechten Weg verirren, wenn sie sich in vielerlei Gerede einlassen. Denn die Menschenseele gleicht dem Wasser, welches, wenn es gefaßt wird, in die Höhe steigt und dorthin strebt, woher es gekommen ist, im freien Raum hingegen sich verliert, weil es nutzlos abwärts auseinander fließt. Wenn also jemand mit vielen unnützen Worten den Ernst des Stillschweigens preisgibt, so zerfließt sein Inneres in ebenso viele Bäche. Da ist es dann nicht genug, wieder zu sich und zur Selbstkenntnis zurückzukehren; denn durch das viele Reden hat sich die zerstreute Seele von der stillen Kammer der inneren Betrachtung ausgeschlossen. Dagegen hat sie sich ganz den Streichen ihres lauernden Feindes ausgesetzt, weil sie allen Schutzes und jeder Wache entbehrt. Darum steht geschrieben: „Wie eine offene Stadt ohne Ringmauern ist ein Mann, der seinen Geist beim Reden nicht zu mäßigen vermag.“7 Weil sie das Stillschweigen nicht zur Mauer hat, steht die Seelenburg den feindlichen Geschossen offen, und durch müßiges Gerede aus sich selbst vertrieben, steht sie schutzlos dem Feind gegenüber. Um so müheloser überwindet er sie, je mehr sie, schon unterliegend, durch ihr eitles Gerede noch gegen sich selber kämpft.

Weil aber die laue Seele stufenweise in den Abgrund gedrängt wird, so kommt man, wenn man sich vor müßigen Worten nicht in acht nehmen wollte, auch zu solchen Reden, die anderen schaden. Zuerst spricht man gern von den Angelegenheiten anderer; dann macht man sich mit Ehrabschneidungen über das Leben derer her, die ins Gespräch gezogen werden, bis die Zunge zuletzt in offene Schmähungen ausbricht. So entstehen gereizte Stimmungen, Streitigkeiten und Haß, bis zuletzt der Herzensfriede dahin ist. Darum sagt Salomon mit Recht: „Wer Wasser ausläßt, ist Ursache zu Streit.“8 „Wasser auslassen“ heißt hier nämlich der Zunge im Reden freien S. 172 Lauf lassen. Dagegen heißt es auch im guten Sinn: „Tiefes Wasser sind die Worte aus eines Mannes Munde.“9 Wer also Wasser ausläßt, fängt Händel an, weil die Eintracht stört, wer seine Zunge nicht im Zaume hält. Darum heißt es zum Gegenteil: „Wer einem Toren Stillschweigen auferlegt, besänftigt Erbitterung.“10 Daß aber ein Geschwätziger den Weg der Gerechtigkeit nicht einzuhalten vermag, bezeugt der Prophet mit den Worten: „Der Zungenfertige besteht nicht auf Erden.“11 Darum sagt Salomon an einer anderen Stelle: „Geschwätzigkeit geht nicht ohne Sünde ab.“12 Und Isaias: „Der Dienst der Gerechtigkeit ist Stillschweigen.“13 Er will damit sagen, daß die Gerechtigkeit der Seele zugrunde geht, wenn man sich nicht vor ungezügelter Rede in acht nimmt. Darum sagt Jakobus: „Wenn jemand vermeint, wahrhaft fromm zu sein, und hält seine Zunge nicht im Zaume, sondern täuscht sein Herz, dessen Gottesdienst ist eitel.“14 So sagt er ferner: „Es sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam aber zum Reden.“15 Auch führt er an, was die Zunge anzurichten vermag, indem er sie ein „nimmermüdes Übel, voll todbringenden Giftes“16 nennt. Deshalb ermahnt uns die Wahrheit selbst mit eigenem Munde: „Die Menschen werden über ein jedes unnütze Wort, das sie reden, am Tage des Gerichtes Rechenschaft geben müssen.“17 Unnütz ist ein Wort, das eines gerechten Grundes oder einer guten, nützlichen Absicht entbehrt. Wenn also schon über jedes unnütze Wort Rechenschaft verlangt wird, so laßt uns erwägen, welche Strafe der Klatschsucht wartet, bei welcher man sich auch durch schadenbringende Worte versündigt! S. 173


  1. Sprichw. 5, 1 f. ↩

  2. Ps. 39, 13. ↩

  3. 2 Kön. 7, 27. ↩

  4. Sir. 20, 7. ↩

  5. Pred. 3, 7. ↩

  6. Ps. 140, 3. ↩

  7. Sprichw. 25, 28. ↩

  8. Ebd. 17, 14. ↩

  9. Sprichw. 18, 4. ↩

  10. Ebd. 26, 10. ↩

  11. Ps. 132, 12. ↩

  12. Sprichw. 10, 19. ↩

  13. Is. 32, 17. ↩

  14. Jak. 1, 26. ↩

  15. Ebd. 1, 19. ↩

  16. Ebd. 3, 8. ↩

  17. Matth. 12, 36. ↩

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