LXXII. KAPITEL. Vom guten Eifer, der die Mönche beseelen soll.
1 Gleichwie es einen schlimmen Eifer voll Bitterkeit gibt, der von Gott trennt und zur Hölle führt2 , so gibt es auch einen guten Eifer, der von der Sünde trennt, zu S. 324Gott und zum ewigen Leben führt. Diesen Eifer sollen die Mönche mit der feurigsten Liebe betätigen. Sie sollen also einander in Ehrerbietung zuvorkommen3 , die Gebrechen, seien sie körperlich oder geistig, aneinander mit größter Geduld ertragen4 , im Wetteifer einander gehorchen. Keiner erstrebe das, was er für sich, sondern das, was er mehr für andere nützlich erachtet. Die brüderliche Liebe sollen sie in reiner Gesinnung betätigen, Gott aus Liebe fürchten5 , ihrem Abt in aufrichtiger und demütiger Liebe zugetan sein, Christus durchaus nichts vorziehen6 , der uns alle zum ewigen Leben führen möge.
-
Dieses Kapitel faßt gewissermaßen die ganze monastische Aszese in einigen kurzen, kernigen Sätzen zusammen. ↩
-
Ähnlich Clem. Rom. Epist ad Corinth. 9 „qui ad mortem adducit zelo“ [Vers. lat. ed. Morin, Anecdota Maredsol. II, 10]. ↩
-
Röm. 12, 10. ↩
-
Vgl. Cassian Collat. VI, 3. ↩
-
Wahrscheinlich ist mit Morin [Rev. bened. 29 [1912] 408 s.] zu lesen „amore Deum timeant“, so daß wir darin wohl einen Anklang an die Consecratio virginum im Saoramentarium Leonianum finden dürften [„amore te timeant, amore tibi serviant“ Muratori, Vetus liturg. rom. [Venedig 1748] 446]. ↩
-
„Christo nihil omnino praeponere“ Cypr. De orat. domin. 15, vgl. Kap. 4. ↩