12. Kap. Die Schüler Christi haben seine, das Martyrium betreffenden Aussprüche immer buchstäblich verstanden; so Petrus, so Johannes.
Wer mußte nun wohl das innerste Mark der Hl. Schrift besser kennen, als eben die Schule Christi selbst? Der Herr hat in seine Schule nur solche Schüler aufgenommen, welche über alles belehrt werden sollten, und für uns nur solche Lehrer bestimmt, welche alles lehren sollten! Wem würde er wohl lieber das Sinnbildliche seines Ausspruches erklärt haben, als dem, welchem er das Bild seiner Herrlichkeit enthüllt hat, einem Petrus, Johannes, Jakobus und nachher einem Paulus, welch letztern er sogar das Paradies kosten ließ, noch bevor er das Martyrium erlitt? Oder schreiben etwa auch die Genannten anders, als sie denken, wie Lehrer des Truges, nicht wie Lehrer der Wahrheit? Petrus schreibt an die Bewohner von Pontus1 : „Wie groß ist der Ruhm, wenn ihr Strafen erleidet, aber nicht wegen Vergehungen! Denn das ist Gnade, und dazu seid ihr berufen, weil auch Christus für uns gelitten hat, sich selbst uns als Beispiel hinterlassend, damit wir seinen Fußstapfen folgen.“ Und wieder: „Geliebteste, S. 221schrecket nicht zurück vor der Feuerprobe, welche euch widerfährt zur Prüfung, als wenn euch etwas Unerhörtes träfe. Denn in dem Maße, wie ihr an den Leiden Christi teilnehmet, freuet euch, damit ihr auch bei der Enthüllung seiner Herrlichkeit euch freuen und frohlocken könnt. Selig seid ihr, wenn ihr um des Namens Christi willen Schmach leidet, weil die Herrlichkeit und der Geist Gottes in euch ruht. Daß nur niemand unter euch leide, weil er ein Mörder, Dieb oder Bösewicht ist oder nach fremdem Gute trachtet! Wofern er aber als Christ leidet, so soll er sich dessen nicht schämen; er verherrliche vielmehr den Herrn in diesem Namen“2.
Johannes ermahnt uns, „unser Leben sogar für unsere Brüder hinzugeben“, und stellt in Abrede, daß in der Liebe Furcht sei. Denn „die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, weil die Furcht Pein hat, und wer fürchtet, in der Liebe nicht vollkommen ist“3. Welche Furcht könnte man passender darunter verstehen als die, welche die Veranlassung zum Verleugnen wird? Welche Liebe bezeichnet er als die vollkommene, wenn nicht die, welche die Furcht verscheucht und zum Bekenntnis ermutigt? Welche andere Strafe diktiert er der Furcht zu, wenn nicht die, welche der Abtrünnige mit sich zurückbringt, der mit Leib und Seele dem Höllentode verfällt? Wenn wir nach seiner Lehre schon für die Brüder sterben sollen, dann noch viel mehr für den Herrn. Eine solche Ermahnung zu geben, war er auch durch die ihm zuteil gewordene geheime Offenbarung genügend unterrichtet worden. Hat ja doch der Geist dem Engel der Kirche von Smyrna befohlen: „Siehe, der Teufel wird einige aus der Zahl der Deinen in den Kerker bringen, um sie zu versuchen zehn Tage lang. Sei getreu bis in den Tod und ich werde dir die Krone des Lebens geben“4. Ähnliche Worte werden an den Engel von Pergamus gerichtet in Betreff des Antipas, des getreuesten Märtyrers, der in der Behausung des Satans getötet wurde; ähnliche an S. 222den von Philadelphia5, daß von der letzten Versuchung befreit werde, wer den Namen des Herrn nicht verleugnet habe. Sodann verheißt er den Siegern das eine Mal den Baum des Lebens und Nachlaß des zweiten Todes, das andere Mal verborgenes Manna mit den weißen Steinchen und dem verborgenen Namen, dann die Macht des eisernen Szepters und die Helle des Morgensternes, dann das weiße Kleid zu tragen, nicht ausgelöscht zu werden aus dem Buche des Lebens, eine Säule im Tempel Gottes zu werden, die mit dem Namen Gottes des Herrn und des himmlischen Jerusalems bezeichnet ist, endlich zu sitzen mit dem Herrn auf seinem Throne, was einst den Söhnen des Zebedäus versagt wurde6.
Wer sind denn diese glücklichen Sieger, wenn nicht recht eigentlich die Märtyrer? Der Sieg ist dessen, der kämpft, wer aber kämpft, der vergießt auch sein Blut. Vorläufig ruhen die Seelen der Märtyrer ruhig unter dem Altare, durch das Vertrauen, gerächt zu werden, geben sie ihrer Geduld Nahrung und bekleidet mit ihren Kleidern nehmen sie ihre Anwartschaft auf die Klarheit in Besitz, bis die Zahl der Genossen ihrer Herrlichkeit durch die andern vollzählig wird. Denn es ist wiederum geoffenbart, daß der Weißgekleideten und der mit Siegespalmen Ausgezeichneten eine unzählbare Menge sei, nämlich derer, die über den Antichrist triumphieren, wie einer von den Ältesten sagt: „Diese sind es, die aus jener großen Trübsal kommen und ihr Gewand gewaschen und weiß gemacht haben im Blute des Lammes“7. Das Gewand der Seele ist der Leib. Der Schmutz nämlich wird in der Taufe abgewaschen, die Flecken aber durch das Martyrium weißgemacht; denn nach Isaias soll aus dem Rot und Scharlach eine Weiße wie die des Schnees und der Wolle hervorgehen8. Auch wenn das große Babylon dargestellt wird als trunken vom Blut der Heiligen, so ist diese Trunkenheit ohne S. 223Zweifel bewirkt durch den Becher der Martyrien. Was die Furcht vor letzteren bringen werde, ist in gleicher Weise dargestellt. Unter den andern Verworfenen, ja sogar vor allen andern stehen die Feiglinge, „Den Feiglingen“, heißt es, „und sodann den übrigen wird ihr Anteil im Pfuhle des Feuers und Schwefels sein“9. So hat die in seinem Briefe genannte Furcht, welche durch die Liebe hinausgetrieben wird, ihre Strafe gefunden.
