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Bekenntnisse
8. Augustinus begibt sich in den Garten.
In diesem gewaltigen Aufruhr meines Innern, den ich aus aller Kraft mit meiner Seele in der Kammer meines Herzens hervorgerufen hatte, gehe ich verstörten Gesichtes und Sinnes zu Alypius und rufe: "Wohin lassen wir es kommen? Was hast du vernommen? Ungelehrte stehen auf und reißen das Himmelreich an sich, und siehe da, wir mit unserer Gelehrsamkeit, wir wälzen uns in Fleisch und Blut herum! Oder schämen wir uns, ihnen nachzufolgen, weil sie vorangegangen sind? Sollen wir uns nicht lieber schämen, wenn wir ihnen nicht wenigstens nachfolgen?" Solcherlei sprach ich, ich weiß nicht was alles: in meiner Aufregung riß ich mich von ihm los, während er wie angedonnert mich anstarrte und schwieg. Das war nicht meine gewohnte Sprache; mehr als die Worte, die ich ausstieß, verrieten Stirne, Wangen, Augen, Gesichtsfarbe und Ton meiner Stimme meine Gemütsverfassung. Ein Gärtchen stieß an unsere Wohnung, das wir wie das ganze Haus benützten; denn der Wirt, unser Hausherr, wohnte nicht dort. Dorthin hatte mich der Aufruhr in meiner Brust fortgerissen; dort konnte niemand den heißen Streit hindern, den ich mit mir begonnen hatte, bis er der Ausgang nehme, den du wußtest, ich aber nicht. Allein mich hatte ein heilsamer Wahnsinn erfaßt, und ich erstarb S. 176 zum Leben; ich wußte, wieviel Böses an mir war, nicht aber, welchen Wert ich binnen kurzem erhalten sollte. Ich ging also in den Garten, und Alyplus folgte mir auf dem Fuße. Denn meine Einsamkeit blieb mir auch, wenn er anwesend war. Und wie hätte er mich in meinem damaligen Zustande auch verlassen können! Wir ließen uns in möglichster Entfernung vom Hause nieder. Ich erschauerte im Geiste und ergrimmte in stürmischem Unwillen, daß ich nicht in deinen Willen und deinen Bund einging, mein Gott, was ich doch tun sollte, wie „alle meine Gebeine“1 mir es zuriefen und es lobpreisend zum Himmel erhoben. Und doch gelangt man dorthin weder zu Schiffe noch zu Wagen noch zu Fuß, nicht einmal soviel Schritte braucht man wie vom Hause bis zu der Stelle, wo wir saßen. Denn das Gehen und das Gelangen dorthin war nichts anderes als der Wille zu gehen, allerdings ein kraftvoller und entschiedener Wille; dazu genügte es nicht, den halbwunden Willen dahin und dorthin zu wenden und zu werfen, so daß der Teil, der sich erhob, mit dem rang, der niederfiel.
So verrichtete ich in den Qualen meiner Unentschlossenheit so vieles mit meinem Körper, was die Menschen manchmal tun wollen aber nicht können, weil ihnen entweder die Glieder geradezu fehlen oder in Fesseln geschlagen oder vor Erschlaffung abgespannt oder sonst irgendwie behindert sind. Wenn ich mir die Haare raufte, an die Stirne schlug, wenn ich mit gefalteten Händen meine Kniee umspannte, so tat ich es, weil ich wollte. Ich hätte es aber auch wollen und doch nicht tun können, wenn die Beweglichkeit der Glieder den Dienst versagt hätte. So vieles also habe ich getan, wo Wollen noch lange nicht dasselbe wie Können war. Und doch tat ich das nicht, was mir in unvergleichlich höherem Grade zusagte und was ich gekonnt hätte, so wie ich nur wollte, weil ich, sobald ich nur wollte, dann auch entschieden gewollt hätte. Denn hier war Können und Wollen eins, das Wollen selbst schon Tun, und doch geschah es nicht. Leichter gehorchte der Körper dem S. 177 leisesten Willen der Seele, so daß seine Glieder sich wie auf einen Wink bewegten, als die Seele sich selbst, so daß sie ihren starken Willen durch den Willen allein durchgeführt hätte.
Ps. 34,10. ↩
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Confessiones
Caput 8
Tum in illa grandi rixa interioris domus meae, quam fortiter excitaveram cum anima mea in cubiculo nostro, corde meo, tam vultu quam mente turbatus invado Alypium, exclamo: quid patimur? quid est hoc, quod audisti? surgunt indocti et caelum rapiunt, et nos cum doctrinis nostris ecce ubi volutamur in carne et sanguine! an quia praecesserunt, pudet sequi, et non pudet nec saltem sequi? dixi nescio qua talia, et abripuit me ab illo aestus meus, cum taceret attonitus me intuens. neque enim solita sonabam. plus loquebantur animum mecum frons, genae, oculi, color, modus vocis, quam verba, quae promebam. hortulus quidam erat hospitii nostri, quo nos utebamur sicut tota domo: nam hospes ibi non habitabat, dominus domus. illuc me abstulerat tumultus pectoris, ubi nemo impediret ardentem litem, quam mecum aggressus eram, donec exiret. qua tu sciebas, ego autem non: sed tantum insaniebam salubriter et moriebar vitaliter, gnarus, quid mali essem, et ignarus, quid boni post paululum futurus essem. abscessi ergo in hortum et Alypius pedem post pedem. neque enim secretum meum non erat, ubi ille aderat. et quando me sic affectum desereret? sedimus quantum potuimus remoti ab aedibus. ego fremebam spiritu, indignans indignatione turbulentissima, quod non irem in placitum et pactum tecum, deus meus, in quod eundum esse omnia ossa mea clamabant et in caelum tollebant laudibus: et non illuc ibatur navibus aut quadregis aut pedibus, quantum saltem de domo in eum locum ieram, ubi sedebamus. nam non solum ire, sed velle fortiter et integre, non semisauciam hac atque hac versare et iactare voluntatem, parte adsurgente cum alia parte cadente luctantem. Denique tam multa faciebam corpore in ipsis cunctationis aestibus, quae aliquando volunt homines et non valent, si aut ipsa membra non habeant aut ea vel conligata vinculis vel resoluta languore vel quoquo modo impedita sint. si vulsi capillum, si percussi frontem, si consertis digitis amplexatus sum genu, quia volui, feci. potui autem velle et non facere, se mobilitas membrorum non obsequeretur. tam multa ergo feci, ubi non hoc erat velle quod posse: et non faciebam, quod et imcomparabili affectu amplius mihi placebat, et mox, ut vellem, possem, quia mox, ut vellem, utique vellem. ibi enim facultas ea, quae voluntas, et ipsum velle iam facere erat; et tamen non fiebat, faciliusque obtemperabat corpus tenuissimae voluntati animae, ut ad nutum membra moverentur, quam ipsa sibi anima ad voluntatem suam magnam in sola voluntate perficiendam.