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Bekenntnisse
1. Die Dauer seines Irrtums.
S. 58 Inhaltsübersicht.
Neun Jahre lang gehört er zur Sekte der Manichäer und verführt auch andere zu ihr; auch in die Irrwege der Astrologie gerät er. Der Tod eines Freundes, der durch ihn zu den Manichäern gekommen war, aber vor seinem Tode sich bekehrte, ergreift ihn aufs heftigste. Er gedenkt der in seinem sechs- oder siebenundzwanzigsten Jahre geschriebenen Bücher "Über das Schöne und Schickliche"; bei seinem Studium machen ihm philosophische Begriffe keine Schwierigkeiten.
Während eben jenes Zeitraumes von neun Jahren, von meinem neunzehnten Lebensjahre bis zum achtundzwanzigsten, wurde ich in die Irre geführt und führte andere irre, betrogen und betrügerisch in allerlei Leidenschaften, öffentlich durch die sogenannten freien Künste, heimlich unter dem gemißbrauchten Namen der Religion. Hier stolz, dort abergläubisch, überall aber eitel strebten wir bald nach eitler Volksgunst, die wir auch im Beifallsklatschen des Theaters, in Streitgedichten, im Kampf um verwelkende Lorbeerkränze, in Schauspielpossen und zügelloser Sinnlichkeit erstrebten, bald suchten wir Reinigung von diesem Schmutz, indem wir denen, welche die Auserwählten und Heiligen hießen, Speise zutrugen, damit sie uns in der Werkstatt ihres Magens daraus Engel und Götter zu unserer Befreiung bilden möchten. Solchen Bestrebungen lag ich ob mit meinen durch mich und mit mir betrogenen Freunden. Mögen sie jetzt in ihrem Hochmute mich verlachen, die noch nicht zu ihrem Heile von dir, mein Gott, niedergeworfen und gedemütigt sind; ich will dennoch dir zum Lobe meine Schandtaten bekennen. Ich bitte dich, laß mich mit deiner Hilfe in meiner Erinnerung die verschlungenen S. 59 Wege meines früheren Irrtums nochmals durchwandern und dir „ein Lobopfer darbringen“1. Denn was bin ich mir ohne deine Unterstützung als ein Führer in den Abgrund? Oder was bin ich, wenn es wohl um mich steht, anders als ein Kind, das deine Milch trinkt und dich genießt, die nie verderbende Speise? Und was für ein Mensch ist jeglicher Mensch, insofern er Mensch ist? Aber mögen uns die Starken und Mächtigen verlachen, wir, die Schwachen und Armen, wollen dir bekennen!
Ps. 49,14. ↩
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Confessiones
Caput 1
Per idem tempus annorum novem, ab undevicensimo anno aetatis meae usque ad duodetricensimum, seducebamur et seducebamus, falsi atque fallentes in variis cupiditatibus, et palam per doctrinas, quas liberales vocant, occulte autem falso nomine religionis, hic superbi, ibi superstitiosi, ubique vani: hac popularis gloriae sectantes inanitatem, usque ad theatricos plausus, et contentiosa carmina, et agonem coronarum faenearum, et spectaculorum nugas, et intemperantiam libidinum; illac autem purgari nos ab istis sordibus expetentes, cum eis, qui appellarentur electi et sancti, afferremus escas, de quibus nobis in officina aqualiculi sui fabricarent angelos et deos, per quos liberaremur. et sectabar ista atque faciebam cum amicis meis, per me ac mecum deceptis. inrideant me arrogantes, et nondum salubriter prostrati et elisi a te, deus meus, et ego tamen confitear tibi dedecora mea in laude tua. sine me, obsecro, et da mihi circuire praesenti memoria praeteritos circuitus erroris mei, et immolare tibi hostiam iubilationis. quid enim sum ego mihi sine te nisi dux in praeceps? aut quid sum, cum mihi bene est, nisi sugens lac tuum aut fruens te, cibo qui non corrumpitur? et quis homo est quilibet homo, cum sit homo? sed inrideant nos fortes et potentes, nos autem infirmi et inopes confiteamur tibi.