18.
Wenn also du im Gegenteil erklärst und nach dem Ausdrucke deines Briefes selbst gegen den Widerspruch der ganzen Welt mit lauter Stimme verkündest: die Zeremonien der Juden seien verderblich und todbringend für die Christen; wer immer sich an sie halte, sei er nun von Juden oder Heiden geboren, stürze sich dadurch in den Schlund des Teufels, — so bestätige ich diesen deinen Ausspruch in jeder Beziehung und füge noch hinzu: Wer immer sich an sie hält, sei er nun von Juden oder Heiden geboren, mag er es bloß zum Scheine oder in Wahrhaftigkeit tun, verfällt dadurch dem Schlunde des Teufels. Was willst du noch mehr? Aber wie du einen Unterschied machst zwischen der Verstellung der Apostel und dem, was in unserer Zeit erlaubt ist, so mache auch ich einen Unterschied zwischen dem damaligen, durchaus wahrhaften Verhalten des Apostels Paulus und einer wenn auch nur scheinbaren Beobachtung der jüdischen Zeremonien in unserer Zeit. Denn was damals zu billigen war, ist jetzt zu verabscheuen. Wenn wir darum auch lesen: „Das Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes den Täufer“1; weiter: „Darum suchten die Juden, Christum zu töten, weil er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen Vater nannte und sich Gott gleich machte“2; weiter: „Wir haben Gnade um Gnade empfangen; denn das Gesetz ist durch Moses gegeben worden, Gnade aber und Wahrheit ist durch Christus geworden“3 — und wenn nun weiter von S. 306 Jeremias verheißen ist4, Gott werde einen Neuen Bund dem Hause Juda geben, nicht nach Ähnlichkeit des Bundes, den er mit den Vätern geschlossen, so glaube ich doch nicht, daß unser Herr von seinen Eltern nur zum Zwecke der Täuschung beschnitten worden ist. Und wenn er auch in seinem kindlichen Alter dies nicht hindern wollte, so glaube ich doch nicht, daß er zu jenem Aussätzigen, den gewiß nicht die Anordnung des Moses, sondern er selbst geheilt hatte, in täuschender Weise gesagt hat: „Gehe hin und opfere die Gabe, die Moses befohlen hat, ihnen zum Zeugnisse!“5 Auch ging er nicht in täuschender Absicht zum Feste; vielmehr wollte er so wenig die Augen der Menschen auf sich lenken, daß er es nicht öffentlich, sondern heimlich tat.
