4. Kapitel: Der Begriff des Genießens und Gebrauchens
4. Genießen heißt, einer Sache um ihrer selbst willen in Liebe anhangen; gebrauchen aber heißt, die zum Leben notwendigen Dinge auf die Erreichung des S. 17Gegenstandes der Liebe beziehen, wenn der Gegenstand überhaupt Liebe verdient. Denn der unerlaubte Gebrauch ist eher ein Verbrauch oder ein Mißbrauch zu nennen. Wenn wir Pilger wären, die nur in ihrem Vaterland glücklich leben könnten und gerade durch die Wanderschaft sich unglücklich fühlten, so würden wir, um dem Unglück ein Ende zu machen, ins Vaterland zurückkehren wollen. Wir brauchten dann Wagen oder Schiffe, um ins Vaterland, das Ziel unseres Genusses, zu gelangen. Träfe es ich nun, daß uns die Annehmlichkeiten der Reise oder der Gang unserer Fahrzeuge so ergötzten, daß wir uns dem Genusse derjenigen Dinge zuwenden, die wir bloß hätten gebrauchen sollen, so würden wir die Reise nicht schnell beendigen wollen; wir würden uns vielmehr, von falscher Lust verführt, dem Vaterlande entfremden, dessen Süßigkeit uns glücklich machen könnte. So ist es auch in unserem sterblichen Leben: wir befinden uns da auch auf einer Pilgerschaft ferne vom Herrn1. Wenn wir nun ins Vaterland zurückkehren wollen2, wo wir allein unser Glück finden, so müssen wir diese Welt zwar gebrauchen, aber nicht genießen, damit wir so das Unsichtbare an Gott durch das erschaffene Sichtbare schauen3, das heißt von den körperlichen und zeitlichen Sachen eine geistige und ewige Ernte halten.
