13. Kapitel: Johannes der Täufer verlangte von allen Täuflingen Besserung des Lebens; Christus selbst erklärt die Beobachtung der Gebote als notwendig zur Erlangung der ewigen Seligkeit
19. Ich stehe noch immer bei der Untersuchung der von meinen Gegnern aufgestellten Behauptung, man dürfe S. 343bloß die schon Getauften über die zum christlichen Laben notwendigen Sitten unterrichten, während man den Täuflingen nur die Lehre vom Glauben einprägen dürfe. Wäre dem aber wirklich so, so hätte, ganz abgesehen von den zahlreichen schon angeführten Gründen, nicht auch Johannes der Täufer denen, die zu seiner Taufe kamen, zugerufen: „Ihr Natterngezücht, wer zeigt euch einen Weg zur Flucht vor dem kommenden Zorne? Bringet also würdige Früchte der Buße1 !“, und was er sonst gewiß nicht vom Glauben, sondern von den guten Werken erinnernd anführt. Als daher die Soldaten fragten: „Was sollen wir tun?“, da antwortete er ihnen nicht: „Glaubet nur einstweilen und laßt euch taufen! Später werdet ihr schon hören, was ihr tun sollt.“ Nein, um dem kommenden Herrn wie ein Vorläufer den Weg in ihr Herz zu reinigen, redete er schon zuvor zu ihnen und ermahnte er sie schon zuvor mit den Worten: „Tut niemandem Gewalt an; fügt niemandem ein Unrecht zu; begnügt euch mit eurem Solde2 !“ Und als in ähnlicher Weise auch die Zöllner fragten, was sie tun müßten, da sprach er: „Fordert nicht mehr, als euch festgesetzt ist3 !“ — Der Evangelist [Lukas] durfte nicht gleich ganze Predigten einfügen; aber schon durch diese kurzen Erwägungen hat er deutlich genug gezeigt, daß es Aufgabe eines Katecheten sei, seinen Täufling auch über die Sitten zu belehren und zu ermahnen. Hätten nun diese Leute dem Johannes geantwortet: Wir wollen durchaus keine würdigen Früchte der Buße bringen; wir werden vielmehr Ränke schmieden, Gewalttaten verüben und gerade das tun, was uns verboten ist, und hätte sie Johannes trotz dieser klaren Willensäußerung doch getauft, so könnte man nicht einmal dann behaupten, worum es sich ja augenblicklich gerade dreht, es sei nicht an der Zeit, schon während des Taufunterrichtes dem Täufling im voraus zu sagen, wie er sein gutes Leben führen müsse.
S. 34420. Doch sollen sie sich, um von anderem ganz zu schweigen, an die Antwort erinnern, die der Herr selbst jenem Reichen gab4 , der ihn fragte, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen: „Willst du zum Leben eingehen,“ sagte er damals, „so halte die Gebote!“ Da fragte nun der Reiche: „Welche denn?“ Der Herr erinnerte aber daraufhin bloß an die Gebote des Gesetzes: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen“ usw. Als hierauf jener entgegnete, das habe er schon von seiner Jugend auf getan, da fügte der Herr noch das Gebot5 der Vollkommenheit hinzu: er solle all sein Gut verkaufen und es als Almosen unter die Armen verteilen, auf daß er einen Schatz im Himmel habe; dann solle er dem Herrn selbst nachfolgen. Daraus mögen meine Gegner erkennen, daß dem Manne nicht bloß die nach ihrer Ansicht einzig notwendigen Hilfsmittel zur Erlangung des Lebens, nämlich Glaube und Taufe, empfohlen wurden, sondern daß er auch Sittenvorschriften erhielt, die freilich ohne den Glauben nicht treu beobachtet werden können. Allerdings scheint der Herr an dieser Stelle von der Betonung der Notwendigkeit, auch den Glauben einzuschärfen, geschwiegen zu haben. Trotzdem begnügen wir uns nun doch nicht, solchen Menschen, die zum Leben eingehen wollen, jetzt bloß Sittenlehren vorzuschreiben. Denn wie gesagt sind beide gegenseitig miteinander verbunden, weil in einem Menschen, der den Mitmenschen nicht liebt, keine Gottesliebe, und in einem, der Gott nicht liebt, keine Nächstenliebe wohnen kann. Daher kommt es, daß die Heilige Schrift manchmal bloß das eine ohne das andere, bald dies und bald jenes erwähnt, ohne eine beides umfassende Belehrung zu geben, um auch auf diese Weise erkennen zu lassen, daß das eine ohne das andere nicht bestehen kann. Denn wer an Gott glaubt, der tue, was Gott vorschreibt, und wer es deshalb tut, weil es Gott vorschreibt, der muß auch an Gott glauben.
