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S. 497 Der Evangelist Lukas seinerseits hat die Bitten des Gebetes des Herrn nicht in sieben, sondern nur in fünf zusammengefaßt1. Trotzdem aber hat er sich damit nicht in Gegensatz zu Matthäus gesetzt, sondern gerade durch seine knappe Fassung gezeigt, wie die sieben Bitten bei diesem zu verstehen sind; denn der Name Gottes wird ja doch im Geiste geheiligt, sein Reich aber wird bei der Auferstehung des Fleisches kommen. Lukas hilft also durch Weglassung der dritten Bitte zu einem besseren Verständnis, indem er zeigt, daß sie gewissermaßen nur die Wiederholung der beiden vorausgehenden bildet. Daran reiht er sodann drei weitere Bitten, nämlich die Bitte ums tägliche Brot, um Vergebung der Sünden und um Widerstandskraft in der Versuchung. Die Bitte aber, die Matthäus an letzter Stelle anführt: „Sondern erlöse uns von dem Übel2“, findet sich bei Lukas überhaupt nicht, damit wir sehen, sie sei schon in der vorausgehenden Bitte von der Versuchung enthalten. Darum sagt auch Matthäus: „ sondern erlöse uns“ und nicht „ und erlöse uns“, womit er uns zeigt, daß die sechste und siebte Bitte eigentlich nur eine Bitte sind: Gib uns nicht dies, sondern das! Es soll eben jedermann daraus erkennen, daß die Erlösung von dem Übel für ihn darin besteht, daß er nicht in Versuchung gerät.