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Doch mag einer auch noch so schwere Verbrechen begangen haben, er braucht deshalb doch dank der Barmherzigkeit, die Gott in der heiligen Kirche erweist, nicht an der Barmherzigkeit Gottes verzweifeln: er soll nur Buße tun nach dem Maße seiner Sünde. Ist aber die Sünde von solcher Art, daß der Sünder auch vom Leibe Christi getrennt werden muß1, dann kommt es bei der Übung der Buße nicht so sehr auf das Maß der Zeit, als vielmehr auf das Maß des Reueschmerzes an. „Denn ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz verschmäht Gott nicht2.“ Weil jedoch der Seelenschmerz des einen einem andern meist verborgen bleiben wird und sich nicht durch Worte oder sonstige Zeichen den andern Menschen äußert, sondern nur dem offenbar ist, an den der Psalmist die Worte richtet: „Mein Seufzen ist vor dir nicht verborgen3“, so werden von den kirchlichen Vorstehern mit gutem Grund Bußzeiten festgesetzt, damit so auch der Kirche S. 453 Genugtuung geschehe, in der die Sünden nachgelassen werden. Denn außerhalb der Kirche gibt es ja keinen Sündennachlaß. Hat sie ja doch allein den Heiligen Geist in besonderer Weise als Pfand empfangen, ohne den keine Sünde so nachgelassen wird, daß diejenigen, denen sie nachgelassen wird, das ewige Leben erlangen.