24. Kapitel: Von dem Werke Christi, der Kirche, und von ihren Geschicken bis zur Wiederkunft ihres Stifters
44. Der Weinstock aber, der gemäß den Prophezeiungen und nach den Weissagungen des Herrn selbst1 seine fruchtbringenden Reben über den großen Erdkreis hin ausstreckte, trieb um so kräftiger, je reicher er mit S. 297Martyrerblut begossen wurde. Als nun die Märtyrer in allen Ländern in ungezählten Scharen für die Wahrheit ihres Glaubens starben, da wurden endlich auch die verfolgenden Reiche [der Verfolgung] müde und wandten sich, nachdem ihr hochmütiger Nacken gebrochen war, der Erkenntnis und der Verehrung Christi zu. Notwendigerweise mußte auch der Weinstock genau nach der Vorhersage des Herrn beschnitten und die unfruchtbaren Schößlinge von ihm entfernt werden; denn es entstanden an verschiedenen Orten Häresien und Spaltungen, die zwar den Namen Christi trugen, die aber nicht Christi Ehre suchten, sondern die eigene; aber gerade durch deren feindseliges Benehmen sollte die Kirche mehr und mehr geübt und ihre Lehre und Ausdauer erprobt und ins Licht gesetzt werden.
45. Wie wir nun all diese Dinge in den lange vorher geschehenen Prophezeiungen lesen, so sind sie, wie wir sehen können, auch in Erfüllung gegangen: und wie die ersten Christen noch durch Wunder zum Glauben veranlaßt werden mußten, weil sie die Erfüllung der Prophezeiung noch nicht vor Augen sahen, so werden wir deshalb zum Glauben auferbaut, weil sich jetzt alles geradeso erfüllt hat, wie wir es in jenen Büchern lesen, die längst vor der Erfüllung abgefaßt wurden und wo alles das, was wir jetzt gegenwärtig sehen, als erst in der Zukunft eintretend dargestellt wurde. Diese unsere Erbauung ist so groß, daß wir in unablässigem Vertrauen auf Gott die zweifellose Erfüllung auch der [bis jetzt] noch nicht eingetroffenen Prophezeiungen für die Zukunft erwarten. So lesen wir z.B. in den heiligen Schriften auch von Verfolgungen, die noch bevorstehen, und besonders vom Tage des Jüngsten Gerichtes, wo alle Bürger jener beiden [früher bezeichneten] Reiche ihren Leib wieder erhalten und auferstehen werden, um vor dem Richterstuhl des richtenden Christus von ihrem Leben Rechenschaft abzulegen2 . Da wird dann in der Herrlichkeit seiner Macht derjenige kommen, der sich ehedem dazu herabließ, in der Niedrigkeit der S. 298Menschennatur zu kommen; dann wird er alle Frommen von den Bösen scheiden, und zwar nicht bloß von jenen, die den Glauben an ihn mit Hartnäckigkeit zurückwiesen, sondern auch von jenen, deren Glauben an ihn vergeblich und unfruchtbar blieb; mit den einen wird er sein ewiges Reich teilen, den andern aber wird er eine ewige Strafe beim Teufel geben. Wie auf der einen Seite keine Erdenfreude irgendwie der Freude des ewigen Lebens ähnlich befunden werden kann, die den Heiligen zuteil werden wird, so kann auch anderseits keine irdische Qual mit den ewigen Qualen der Bösen verglichen werden.