6. Kapitel: Von den persönlichen Motiven des Taufbewerbers ausgehend, gebe der Katechet einen gedrängten Überblick über die Geschichte der christlichen Religion von den ersten Anfängen der Biblischen Geschichte bis zur kirchlichen Gegenwart
10. Gibt der Betreffende etwa an, er fühle sich von Gott durch innere Einsprache oder Erschütterung angetrieben, ein Christ zu werden, so gibt er uns mit dem Gedanken, wie groß doch Gottes Sorge für uns sei, die allergünstigste Einleitung an die Hand. Von derartigen wunderbaren Gesichten läßt sich dann leicht auf den festeren Boden und die sichereren Ansprüche der [heiligen] Schriften überleiten, damit er erkenne, wie groß die Barmherzigkeit sei, die ihn schon gerufen hat, bevor er noch den heiligen Schriften nachhing. Und dann muß man ihm zeigen, daß der Herr ihn gewiß nicht ermahnt und angetrieben hätte, ein Christ zu werden und sich der Kirche einverleiben zu lassen und daß er ihn sicher nicht durch solche Zeichen und Offenbarungen belehrt hätte, wäre es nicht sein Wille gewesen, daß der Katechumene nunmehr sicherer und ruhiger den in der Heiligen Schrift vorbereiteten Weg gehen und sich daran gewöhnen solle, hier nicht so fast sichtbare Wunder zu suchen, sondern unsichtbare zu erhoffen und aus ihr nicht im Schlafe, sondern wachend Belehrung und Weisung zu schöpfen. — Darnach ist mit dem [eigentlichen] Vortrag zu beginnen, und zwar, wie wir schon gesagt haben, von da an, wie Gott alles sehr gut geschaffen S. 247hat1 fortlaufend bis zur kirchlichen Gegenwart. Dabei sollen von allen Tatsachen und Geschehnissen, von denen wir reden, die Ursachen und die inneren Zusammenhänge angegeben und die Ereignisse damit zugleich auf jenen [obersten] Endzweck, die Liebe, bezogen werden, den man ja niemals, weder beim Handeln noch beim Sprechen, aus dem Auge verlieren darf. Versuchen doch schon Grammatiker, die als tüchtig gelten und als solche bezeichnet werden, aus den Schöpfungen der Dichter, die doch bloß erfunden und für das Vergnügen solcher Leute ausgedacht sind, die ihren Geist mit Nichtigkeiten nähren, einigermaßen praktischen Nutzen zu ziehen, wenn dieser auch selbst wieder nur nichtig und auf weltliche Sättigung berechnet ist. Um wieviel mehr müssen uns dann wir davor hüten, die von uns erzählten wahren Ereignisse ohne Angabe ihrer Gründe vorzutragen, so daß sie deshalb nur aus bloßem Wohlgefallen oder aus verderblicher Neugier gläubig hingenommen werden. Lassen wir uns indes auf die Darlegung der Gründe nicht so ein, daß Herz und Mund den Faden der Erzählung verlieren und sich in verwickelte und schwierige Untersuchungen verirren; unsere wahrheitsgetreue Darstellung sei gleichsam nur die Goldfassung, welche die Perlenreihe zusammenhält, die aber nicht durch Überladung die Schmuckkette irgendwie stört.
Gen. 1,31. ↩
