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De civitate Dei (CCSL)
Caput V: De primo terrenae ciuitatis auctore fratricida, cuius inpietati Romanae urbis conditor germani caede responderit.
Primus itaque fuit terrenae ciuitatis conditor fratricida; nam suum fratrem ciuem ciuitatis aeternae in hac terra peregrinantem inuidentia uictus occidit. unde mirandum non est, quod tanto post in ea ciuitate condenda, quae fuerat huius terrenae ciuitatis, de qua loquimur, caput futura et tam multis gentibus regnatura, huic primo exemplo et, ut Graeci appellant, ἀρχετύπῳ quaedam sui generis imago respondit. nam et illic, sicut ipsum facinus quidam poeta commemorauit illorum, fraterno primi maduerunt sanguine muri. sic enim condita est Roma, quando occisum Remum a fratre Romulo Romana testatur historia; nisi quod isti terrenae ciuitatis ambo ciues erant. ambo gloriam de Romanae reipublicae institutione quaerebant, sed ambo eam tantam, quantam, ni unus esset, habere non poterant. qui enim uolebat dominando gloriari, minus utique dominaretur, si eius potestas uiuo consorte minueretur. ut ergo totam dominationem haberet unus, ablatus est socius, et scelere creuit in peius, quod innocentia minus esset et melius. hi autem fratres Cain et Abel non habebant ambo inter se similem rerum terrenarum cupiditatem, nec in hoc alter alteri inuidit, quod eius dominatus fieret angustior, qui alterum occidit, si ambo dominarentur - Abel quippe non quaerebat dominationem in ea ciuitate, quae condebatur a fratre - , sed inuidentia illa diabolica, qua inuident bonis mali, nulla alia causa, nisi quia illi boni sunt, illi mali. nullo enim modo fit minor accedente seu permanente consorte possessio bonitatis, immo possessio bonitas, quam tanto latius, quanto concordius indiuidua sociorum possidet caritas. non habebit denique istam possessionem, qui eam uoluerit habere communem, et tanto eam reperiet ampliorem, quanto amplius ibi potuerit amare consortem. illud igitur, quod inter Remum et Romulum exortum est, quemadmodum aduersus se ipsam terrena ciuitas diuidatur, ostendit; quod autem inter Cain et Abel, inter duas ipsas ciuitates, dei et hominum, inimicitias demonstrauit. pugnant ergo inter se mali et mali; item pugnant inter se mali et boni: boni uero et boni, si perfecti sunt, inter se pugnare non possunt. proficientes autem nondumque perfecti ita possunt, ut bonus quisque ex ea parte pugnet contra alterum, qua etiam contra se met ipsum; et in uno quippe homine caro concupiscit aduersus spiritum et spiritus aduersus carnem. concupiscentia ergo spiritalis contra alterius potest pugnare carnalem uel concupiscentia carnalis contra alterius spiritalem, sicut inter se pugnant boni et mali; uel certe ipsae concupiscentiae carnales inter se duorum bonorum, nondum utique perfectorum, sicut inter se pugnant mali et mali, donec eorum, qui curantur, ad ultimam uictoriam sanitas perducatur.
Übersetzung
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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
5. Von dem ersten Gründer des Weltstaates, einem Brudermörder, dessen Ruchlosigkeit ein Gegenstück fand an dem Gründer der Stadt Rom durch dessen Brudermord.
Der erste Gründer des Weltstaates also war ein Brudermörder; er hat, von Neid übermannt, seinen Bruder getötet, den auf Erden pilgernden Bürger des ewigen Staates. Es ist daher nicht zu verwundern, daß lange hernach bei der Gründung jenes Staates, der Band 16, S. 809das Haupt dieses Weltstaates, von dem wir sprechen, werden und über so viele Völker herrschen sollte, diesem Urbilde oder ἀρχετύπῳ, wie die Griechen sagen, ein Abbild der Art nach entsprach. Denn auch hierbei hat, wie einer der Dichter dieses Staates1 die Schandtat bezeichnet, „Bruderblut die ersten Mauern gerötet“. So ward Rom gegründet; die römische Geschichte bezeugt es, daß Remus von seinem Bruder Romulus ermordet wurde; nur daß hier der Ermordete ebenso wie der Mörder Bürger des Weltstaates war. Beide gingen auf Ruhm aus mit der Gründung des Römerstaates, aber jeder auf so großen, daß nur einer daran teilhaben konnte. Denn wer seinen Ruhm im Herrschen zu suchen entschlossen war, hätte natürlich nur in beschränkterem Maße geherrscht, wenn seine Gewalt eingeengt geblieben wäre dadurch, daß ein Teilhaber lebte. Damit also einer die ganze Herrschaft in seine Gewalt bekäme, wurde der Gefährte beseitigt, und was bei Enthaltung von Blutschuld beschränkter und besser gewesen wäre, mehrte sich so durch Frevel zum Schlimmeren. Dagegen das Brüderpaar Kain und Abel hegte nicht gemeinsam miteinander das gleiche Verlangen nach irdischen Dingen, und der, der den andern ermordete, war ihm nicht deshalb neidisch, weil seine Herrschaft eingeengt worden wäre, wenn beide herrschten (Abel ging ja gar nicht auf eine Herrschaft aus in dem Staate, der von seinem Bruder gegründet wurde), sondern dieser Neid war teuflisch, wie ihn die Bösen auf die Guten haben lediglich deshalb, weil diese gut sind und sie selber böse. Denn keineswegs wird der Besitz an Gutheit verringert, wenn ein Mitteilhaber dazu tritt oder dabei bleibt; im Gegenteil, die Gutheit ist ein Besitz, den, je einträchtiger, in um so weiterem Umfang ungeteilte Liebe von Genossen ihr eigen nennt. Kurz, ein Besitz, den man überhaupt nicht sein eigen nennen kann, wenn man ihn nicht als Gemeingut haben möchte, und den man um so größer finden wird, je größer die Liebe ist, die ihr Besitz dem Teilhaber zuzuwenden verstattet. Das nun, was zwischen Remus und Romulus vorging, hat gezeigt, wie der Band 16, S. 810Weltstaat wider sich selbst uneins ist; was sich dagegen zwischen Kain und Abel zutrug, hat die Feindschaft zwischen den beiden Staaten selbst, dem Gottesstaat und dem Menschenstaat, vor Augen geführt. Kampf also herrscht zwischen Bösen und Bösen untereinander und ebenso zwischen Bösen hier und Guten dort; Kampf aber zwischen Guten und Guten, wenn sie vollkommen sind, ist ausgeschlossen. Dagegen solang die Guten noch erst im Voranschreiten begriffen und noch nicht zur Vollkommenheit gelangt sind, ist Kampf unter ihnen möglich; es kann jeder Gute wider den andern in der Richtung ankämpfen, in der er gegen sich selbst ankämpft; auch im Einzelmenschen ja „begehrt das Fleisch wider den Geist und der Geist wider das Fleisch“2. Geistiges Begehren kann also in Kampf treten wider fleischliches beim Nächsten und fleischliches Begehren wider geistiges beim Nächsten, so wie Gute und Böse widereinander kämpfen; oder wenigstens fleischliches Begehren zweier Guten, natürlich noch nicht Vollkommenen, kann so, wie Böse und Böse widereinander kämpfen, aufeinander stoßen, bis etwa Heilung eintritt und schließlich die Gesundheit den letzten Sieg davonträgt.