Edition
Hide
De civitate Dei (CCSL)
Caput XXII: Quod dis Romanorum nulla umquam cura fuerit, ne malis moribus respublica deperiret.
Sed quod pertinet ad praesentem quaestionem, quamlibet laudabilem dicant istam fuisse uel esse rempublicam, secundum eorum auctores doctissimos iam longe ante Christi aduentum pessima ac flagitiosissima facta erat; immo uero nulla erat atque omnino perierat perditissimis moribus. ut ergo non periret, di custodes eius populo cultori suo dare praecipue uitae ac morum praecepta debuerunt, a quo tot templis, tot sacerdotibus et sacrificiorum generibus, tam multiplicibus uariisque sacris, tot festis sollemnitatibus, tot tantorumque ludorum celebritatibus colebantur; ubi nihil daemones nisi negotium suum egerunt, non curantes quemadmodum illi uiuerent, immo curantes ut etiam perdite uiuerent, dum tamen honori suo illa omnia metu subditi ministrarent. aut si dederunt, proferatur ostendatur legatur, quas deorum leges illi ciuitati datas contempserint Gracchi, ut seditionibus cuncta turbarent, quas Marius et Cinna et Carbo, ut in bella etiam progrederentur ciuilia causis iniquissimis suscepta et crudeliter gesta crudeliusque finita, quas denique Sulla ipse, cuius uitam mores facta describente Sallustio aliisque scriptoribus historiae quis non exhorreat? quis illam rempublicam non tunc perisse fateatur? an forte propter huiuscemodi ciuium mores Vergilianam illam sententiam, sicut solent, pro defensione deorum suorum obponere audebunt: discessere omnes adytis arisque relictis di, quibus imperium hoc steterat? primum si ita est, non habent cur querantur de religione Christiana, quod hac offensi eos di sui deseruerint, quoniam quidem maiores eorum iam pridem moribus suis ab urbis altaribus tam multos ac minutos deos tamquam muscas abegerunt. sed tamen haec numinum turba ubi erat, cum longe antequam mores corrumperentur antiqui a Gallis Roma capta et incensa est? an praesentes forte dormiebant? tunc enim tota urbe in hostium potestatem redacta collis solus Capitolinus remanserat, qui etiam ipse caperetur, nisi saltem anseres dis dormientibus uigilarent. unde paene in superstitionem Aegyptiorum bestias auesque colentium Roma deciderat, cum anseri sollemnia celebrabant. uerum de his aduenticiis et corporis potius quam animi malis, quae uel ab hostibus uel alia clade accidunt, nondum interim disputo: nunc ago de labe morum, quibus primum paulatim decoloratis, deinde torrentis modo praecipitatis tanta quamuis integris tectis moenibusque facta est ruina reipublicae, ut magni auctores eorum eam tunc amissam non dubitent dicere. recte autem abscesserant, ut amitteretur, omnes adytis arisque relictis di, si eorum de bona uita atque iustitia ciuitas praecepta contempserat. nunc uero quales, quaeso, di fuerunt, si noluerunt cum populo cultore suo uiuere, quem male uiuentem non docuerant bene uiuere?
Translation
Hide
Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
22. Die Götter der Römer haben sich stets völlig gleichgültig dazu verhalten, daß der Staat an Sittenlosigkeit zugrunde ging.
Was jedoch die vorliegende Frage betrifft, so mag man den römischen Staat, den der Vergangenheit und den gegenwärtigen, herausstreichen wie man will; es bleibt doch bestehen, daß er nach den gelehrtesten römischen Schriftstellern lange schon vor Christi Ankunft zum schlechtesten und sittenlosesten herabgesunken war oder vielmehr überhaupt kein Staat mehr war und an völliger Sittenlosigkeit zugrunde gegangen war. Damit es nun nicht zu diesem Äußersten komme, hätten die Götter, seine Schutzherren, dem sie verehrenden Volke vor allem Lebens- und Sittenvorschriften geben sollen, da sie doch vom Volke mit so vielen Tempeln, so vielen Priestern und vielgestaltigen Opfern, mit so zahlreichen und mannigfaltigen Gottesdiensten, mit soviel festlichen Feiern und mit so vielen und großartigen Festspielen verehrt wurden; aber bei all dem haben die Dämonen lediglich ihr Geschäft besorgt, gleichgültig dagegen, wie ihre Verehrer lebten, nein, eifrig darauf hinarbeitend, daß sie ein schlechtes Leben führen sollten, wenn sie nur zu ihren Ehren all das in knechtischer Furcht leisteten. Oder wenn die Götter solche Vorschriften erließen, so möge man die der römischen Bürgerschaft gegebenen Gesetze aufweisen, zeigen und verlesen, die die Gracchen übertreten haben, als sie durch Aufstände alles durcheinander brachten, oder ein Marius, ein Cinna, ein Carbo, als sie sogar zu Bürgerkriegen übergingen, die Band 1, S. 114aus ganz ungerechten Gründen unternommen, mit Grausamkeit geführt und noch grausamer beendet wurden, ein Sulla endlich, dessen Leben, Sitten und Taten nach der Schilderung Sallusts und anderer Geschichtsschreiber nur allgemeinen Abscheu erregen können. Hier gibt es keinen Ausweg: der Staat war damals zugrunde gegangen.
Werden sie vielleicht — wie es oft geschieht — im Hinblick auf diese Sittenverwilderung unter der Bürgerschaft den Ausspruch Vergils1 zur Verteidigung ihrer Götter entgegenhalten:
„Von den verlass'nen Altären und Tempeln entwichen die Götter
Insgesamt, auf denen das Wohl des Reiches beruhte“?
Ist dem so, dann haben unsere Gegner vor allem keinen Grund, sich über die christliche Religion zu beklagen, als hätten, durch diese beleidigt, ihre Götter sie verlassen, da ja ihre Vorfahren längst schon durch ihre Sittenlosigkeit die vielen kleinen Götter wie Mücken von den Altären der Stadt verjagt haben. Aber wo war diese Schar von Gottheiten zu der Zeit, als lange vor der Verderbnis der alten Sitten Rom von den Galliern eingenommen und niedergebrannt wurde? Damals ist ja die ganze Stadt in die Gewalt der Feinde gekommen, nur der kapitolinische Hügel war noch übrig, und auch der wäre erobert worden, wenn nicht statt der schlafenden Götter wenigstens die Gänse gewacht hätten. Infolge dessen wäre Rom beinahe dem Aberglauben der Ägyptier mit ihrer Tier- und Vogelanbetung verfallen; schon feierte man zu Ehren der Gans Feste. Indes handle ich hier noch nicht von derlei äußerlichen und mehr den Leib als die Seele betreffenden Übeln, wie sie von Feinden oder durch anderes Mißgeschick verursacht werden; vielmehr steht jetzt zur Besprechung der Sittenverfall, der mit allmähliger Veränderung anhub, dann aber wie ein Gießbach der Tiefe zudrängte, so daß das Gemeinwesen, obwohl die Häuser und die Mauern keinen Schaden aufwiesen, zur Ruine wurde und Band 1, S. 115hervorragende Geister kein Bedenken trugen, es für verloren zu erklären. Mit Recht aber wären "die Götter insgesamt von den verlassenen Altären und Tempeln entwichen“ zum Ruin des Staates, wofern die Bürgerschaft ihre Vorschriften über rechtschaffenes Leben und Gerechtigkeit verachtet hätte. So jedoch, was waren das, ich bitte euch, für Götter! Sie weigerten sich mit dem ihnen ergebenen Volke zu leben und hatten doch nichts getan, um es durch Belehrung von den schlechten Wegen auf gute zu bringen!
-
Aen. 2, 351 f. ↩