Edition
ausblenden
De civitate Dei (CCSL)
Caput XVI: De primis apud Romanos consulibus, quorum alter alterum patria pepulit moxque ipse post atrocissima parricidia a uulnerato hoste uulneratus interiit.
Huic tempori adiciamus etiam tempus illud, quousque dicit Sallustius aequo et modesto iure agitatum, dum metus a Tarquinio et bellum graue cum Etruria positum est. quamdiu enim Etrusci Tarquinio in regnum redire conanti opitulati sunt, graui bello Roma concussa est. ideo dicit aequo et modesto iure gestam rempublicam metu premente, non persuadente iustitia. in quo breuissimo tempore quam funestus ille annus fuit, quo primi consules creati sunt expulsa regia potestate. annum quippe suum non conpleuerunt. nam Iunius Brutus exhonoratum eiecit urbe collegam Lucium Tarquinium Collatinum; deinde mox ipse in bello cecidit mutuis cum hoste uulneribus, occisis a se ipso primitus filiis suis et uxoris suae fratribus, quod eos pro restituendo Tarquinio coniurasse cognouerat. quod factum Vergilius posteaquam laudabiliter commemorauit, continuo clementer exhorruit. cum enim dixisset: natosque pater noua bella mouentes ad poenam pulchra pro libertate uocabit, mox deinde exclamauit et ait: infelix, utcumque ferent ea facta minores. quomodolibet, inquit, ea facta posteri ferant, id est praeferant et extollant, qui filios occidit, infelix est. et tamquam ad consolandum infelicem subiungit: uincit amor patriae laudumque inmensa cupido. nonne in hoc Bruto, qui et filios occidit et a se percusso hosti filio Tarquinii mutuo percussus superuiuere non potuit eique potius ipse Tarquinius superuixit, Collatini collegae uidetur innocentia uindicata, qui bonus ciuis hoc Tarquinio pulso passus est, quod tyrannus ipse Tarquinius? nam et idem Brutus consanguineus Tarquinii fuisse perhibetur; sed Collatinum uidelicet similitudo nominis pressit, quia etiam Tarquinius uocabatur. mutare ergo nomen, non patriam cogeretur; postremo in eius nomine hoc uocabulum minus esset, L. Collatinus tantummodo uocaretur. sed ideo non amisit quod sine ullo detrimento posset amittere, ut et honore primus consul et ciuitate bonus ciuis carere iuberetur. etiam ne ista est gloria, Iunii Bruti detestanda iniquitas et nihilo utilis reipublicae? etiam ne ad hanc perpetrandam uicit amor patriae laudumque inmensa cupido.? iam expulso utique Tarquinio tyranno consul cum Bruto creatus est maritus Lucretiae L. Tarquinius Collatinus. quam iuste populus mores in ciue, non nomen adtendit. quam inpie Brutus collegam primae ac nouae illius potestatis, quem posset, si hoc offendebatur, nomine tantum priuare, et patria priuauit et honore. haec mala facta sunt, haec aduersa acciderunt, quando in illa republica aequo et modesto iure agitatum est. Lucretius quoque, qui in locum Bruti fuerat subrogatus, morbo, antequam idem annus terminaretur, absumptus est. ita P. Valerius, qui successerat Collatino, et M. Horatius, qui pro defuncto Lucretio suffectus fuerat, annum illum funereum atque tartareum, qui consules quinque habuit, conpleuerunt, quo anno consulatus ipsius nouum honorem ac potestatem auspicata est Romana respublica.
Übersetzung
ausblenden
Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
16. Die Ereignisse unter den ersten Konsuln, von denen der eine den andern verbannte und bald darauf, mit schrecklichen Morden beladen, an der Wunde, die ihm ein verwundeter Feind beibrachte, zugrunde ging.
Lassen wir nunmehr auch die Zeit an unsern Augen vorüberziehen, da nach Sallusts1 Worten „Recht und Billigkeit herrschte, solange bis die Furcht vor Tarquinius und der gefährliche Krieg mit Etrurien ein Ende nahm“. Solang nämlich die Etrusker dem Tarquinius bei dem Versuche, wieder zur Herrschaft zu gelangen, ihre Unterstützung gewährten, wurde Rom durch einen schweren Krieg erschüttert. Deshalb — also unter dem Druck der Furcht, nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit — sei das Staatswesen, sagt er, nach den Forderungen von Band 1, S. 157Recht und Billigkeit geleitet worden2. Eine kurze Spanne Zeit, und doch wie unheilvoll war das Jahr, in welchem nach Abschaffung der Königsgewalt die ersten Konsuln gewählt wurden! Brachten sie doch ihr Jahr gar nicht zu Ende. Denn Junius Brutus vertrieb seinen Amtsgenossen Lucius Tarquinius Collatinus aus Amt und Stadt; bald hernach fiel er selbst im Kampfe, seinen Feind3 im Tode mitreißend, nachdem er früher schon seine eigenen Söhne und die Brüder seiner Gemahlin hatte hinrichten lassen, weil er in Erfahrung gebracht hatte, daß sie sich zur Wiedereinsetzung des Tarquinius verschworen hatten4. Vergil5 hat nachmals dieses Vorkommnis rühmend erwähnt und sich im selben Atemzuge mit Rührung darüber entsetzt. Zuerst sagt er:
„und die Söhne, die Stifter neuer Empörung,
Wird der Vater fürs Heil der Freiheit mit Strafe belegen“, um gleich darauf auszurufen:
„Ach der Unsel'ge, wie über die Tat auch künftig die Welt denkt“.
Wie immer die Nachwelt, meint er, diese Begebenheiten betrachtet, d. h. so sehr man sie auch rühmen und preisen möge, wer seine eigenen Söhne dem Tod überliefert hat, ist unselig. Und er fügt wie zum Troste für den Unseligen bei:
„so siegt doch
Liebe zum Vaterland und die überschwängliche Ruhmgier“.
Scheint es nicht, als ob an diesem Brutus, der seine Söhne in den Tod sandte und seinen von ihm durchbohrten Feind, den Sohn des Tarquinius, selbst von diesem durchbohrt, nicht überlebt hat, während der alte Tarquinius ihn überlebte, die Schuldlosigkeit seines Amtsgenossen Collatinus gerächt worden sei, dieses trefflichen Bürgers, den nach der Vertreibung des Tarquinius dasselbe Los getroffen hat wie den Tyrannen Tarquinius? Soll ja Brutus ebenfalls zu Tarquinius Band 1, S. 158blutsverwandt gewesen sein. Aber auf Collatinus lastete eben die Gleichheit des Namens, da auch er Tarquinius hieß. Nun so hätte man ihn drängen sollen, den Namen zu wechseln, nicht aber das Vaterland aufzugeben; und schließlich hätte in seinem Namen dieses Wort einfach weggelassen und er bloß L. Collatinus genannt werden sollen. Aber was ihm ohne irgend eine Einbuße hätte entzogen werden können, wurde ihm deshalb nicht entzogen, damit der erste Konsul seiner Würde und ein trefflicher Bürger des Bürgerrechtes verlustig gehe. Ist das auch „Ruhm“, die fluchwürdige und für den Staat ganz nutzlose Ungerechtigkeit des Junius Brutus? Hat ihn auch hiezu verleitet „Liebe zum Vaterland und die überschwengliche Ruhmgier“? Schon war doch der tyrannische Tarquinius vertrieben, da wurde als Konsul zugleich mit Brutus gewählt L. Tarquinius Collatinus, der Gemahl der Lucretia. Wie richtig benahm sich das Volk, daß es auf die bürgerlichen Tugenden des Mannes sah, nicht auf seinen Namen! Und wie ruchlos handelte Brutus, daß er seinem Genossen in diesem ersten und neuen Amte, dem er doch bloß den Namen zu entziehen brauchte, wenn er an diesem Anstoß nahm, das Vaterland und die Würde entzog! Und zu einer Zeit geschahen diese schlimmen Dinge und traten diese unheilvollen Ereignisse ein, da im Staate „Recht und Billigkeit herrschte“. Lucretius sodann, der an des Brutus Stelle nachgewählt wurde, starb noch vor Ablauf des Jahres. So brachten endlich P. Valerius, der Nachfolger der Collatinus, und M. Horatius, der für den verstorbenen Lucretius nachgewählt worden war, dieses Unglücks und Schreckensjahr hinaus, das fünf Konsuln gehabt. Unter solchen Auspizien führte Rom die konsularische Würde und Amtsgewalt in sein Staatsleben ein.