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Entscheidend ist nämlich, aus welchen Gründen und auf wessen Veranlassung hin die Menschen in einen Krieg eintreten. Allerdings verlangt die dem Frieden unter den Menschen dienende Naturordnung, dass die Zuständigkeit, einen Krieg zu beginnen, sowie seine Führung beim Herrscher liegen, und dass der Dienst, den die Soldaten dem Frieden und dem Wohl der Gemeinschaft schulden, in der Ausführung seiner Kriegsbefehle liegt. Wenn es sich aber um einen Krieg handelt, der auf Veranlassung Gottes hin aufgenommen wird, ist schon der Zweifel, ob er gerechtfertigt ist, – sei es um den Hochmut der Menschen einzuschüchtern, ihn zu brechen oder ihn zu unterjochen – gotteslästerlich, da ja selbst jener Krieg, der aus menschlicher Begehrlichkeit geführt wird, dem unvergänglichen Gott in keiner Weise zum Schaden gereicht, auch nicht seinen Heiligen, für die er sich im Gegenteil sogar als nützlich erweist, weil er ihnen hilft, ihre Leidensfähigkeit zu üben, ihre Seele demütig zu machen und die Zuchtrute des Vaters ertragen zu lernen. Denn niemand hat irgendwelche Macht über sie, ausser sie sei ihm von oben gegeben (cf. Joh. 19,11). Denn es gibt keine Macht, die nicht von Gott stammt (cf. Rm. 13,1), sei es, dass er etwas befiehlt, sei es, dass er es zulässt. Da somit der gerechte Mann, selbst als Soldat unter einem Machthaber aus dieser Welt, dazu noch einem Gottesverächter, ohne sich schuldig zu machen auf dessen Befehl hin in den Krieg ziehen kann, um die Friedensordnung für die Bürger zu erhalten – sei es, weil er die Gewissheit hat, dass die Befehle, die er von ihm empfängt, nicht gegen das Gebot Gottes verstossen, sei es, weil beim Fehlen dieser Gewissheit ein etwaiger Befehl, der die Gerechtigkeit verletzt, den Machthaber zum Schuldigen macht, während sich aus der Befehlsordnung die Unschuld des Soldaten ergibt –, wie viel mehr gilt dann, dass jemand sich durch seine Kriegstätigkeit in keinerlei Weise schuldig macht, der auf Befehl Gottes Krieg führt, der ja, wie jeder weiss, der ihm dient, nichts Schlechtes befehlen kann.
