15. Die verblendeten Geizigen sollten sich an der armen Witwe im Evangelium ein Muster nehmen.
Aber so, wie du bist, kannst du ja gar nicht in der Kirche Wohltätigkeit üben. Deine Augen, die mit schwarzer Schminke überstrichen, die in dunkle Nacht gehüllt sind, sehen ja gar nicht den Dürftigen und Armen. Wohlhabend und reich, wie du bist, glaubst du den Tag des Herrn zu feiern, obwohl du in das Haus des Herrn ohne Opfergabe kommst und obwohl du den Opferkasten gar nicht beachtest, obwohl du einen Teil von dem Opfer nimmst, das ein Armer dargebracht hat? Betrachte die Witwe im Evangelium, die, der himmlischen Gebote eingedenk, selbst inmitten ihrer Not und ihrer drückenden Armut sich wohltätig zeigte und in den Opferstock zwei Heller einwarf, die einzigen, die sie noch hatte! Als der Herr sie bemerkte und sah, da beurteilte er ihre Gabe nicht nach ihrem Vermögen, sondern nach ihrer Gesinnung, und sah nicht darauf, wie S. 273 viel, sondern von wie vielem sie weggegeben hatte, und antwortete und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Diese Witwe hat mehr als alle in die Gottesgaben eingelegt. Denn diese alle haben von ihrem Überflusse in die Gottesgaben eingeworfen, sie aber hat von ihrer Armut den ganzen Lebensunterhalt, den sie hatte, eingelegt“1 . Welch hochseliges und ruhmvolles Weib, das sogar schon vor dem Tage des Gerichts sich würdig erwies, durch den Mund des Richters gepriesen zu werden! Schämen mögen sich die Reichen ihrer Unfruchtbarkeit und Unseligkeit! Eine Witwe, und noch dazu eine arme, wird wohltätig befunden, und während alle Gaben für die Waisen und Witwen bestimmt sind, gibt gerade sie, die doch hätte empfangen sollen. Daraus können wir entnehmen, welche Strafe den unfruchtbaren Reichen erwartet, nachdem nach diesem Vorbild sogar die Armen Wohltätigkeit üben sollen. Und damit wir erkennen, dass diese guten Werke Gott erwiesen werden und dass jeder, der sie tut, sich bei Gott Verdienste erwirbt, so nennt sie Christus „Gottesgaben“ und weist darauf hin, dass die Witwe in die Gottesgaben ihre zwei Scherflein eingelegt hat, damit es mehr und mehr an den Tag treten kann, dass jeder, der sich eines Armen erbarmt, sich Gott zum Schuldner macht.2
