20. Charakterisierung der echten Katholiken und der Häretiker.
[25] Mithin ist jener ein wahrer und echter Katholik, der die Wahrheit Gottes, der die Kirche, der den Leib Christi1 liebt, der der göttlichen Religion, der dem katholischen Glauben nichts vorzieht, nicht das Ansehen irgendeines Menschen, nicht Zuneigung, nicht Talent, nicht Beredsamkeit und nicht Philosophie, sondern, dies alles geringschätzend und im Glauben festgegründet, S. 200standhaft bleibt und entschlossen ist, nur das, was nach seiner Überzeugung die katholische Kirche allgemein von alters her festgehalten hat, festzuhalten und zu glauben, das aber, wovon er findet, daß es später von einem einzelnen ohne Rücksicht auf die Gesamtheit oder im offenen Gegensatz zu allen Heiligen als neu und unbekannt eingeführt wurde, nicht als zur Religion, sondern vielmehr als zur Versuchung gehörig betrachtet, in einem solchen Falle besonders durch Aussprüche des seligen Apostels Paulus beraten. Denn darüber schreibt er im ersten Korintherbriefe: Es muß auch Häretiker geben, damit die Bewährten unter euch offenbar werden2 ; als wollte er sagen: Deswegen werden die Urheber der Häresien nicht sofort von Gott ausgerottet, damit die Bewährten offenbar werden, das heißt, damit es offenkundig werde, wie standhaft, treu und fest ein jeder in der Liebe zum katholischen Glauben sei.
Und wahrlich, wenn irgendeine Neuerung auftaucht, zeigt sich sofort die Schwere der Fruchtkörner und die Leichtigkeit der Spreu; da wird ohne große Mühe von der Tenne entfernt, was, ohne Gewicht zu haben, auf der Tenne lag. Einige fliegen sofort ganz davon; andere, die nur entfernt wurden, fürchten sich vor dem Untergange, fürchten aber auch die Rückkehr, verwundet, halbtot und halblebend, da sie so viel Gift getrunken haben, daß es weder tötet noch sich verdauen läßt, weder zu sterben nötigt noch leben läßt. O jämmerlicher Zustand! Von welcher Sorgenlast, von welch heftigen Stürmen werden sie hin- und hergetrieben! Denn bald werden sie dahin, wohin der Wind sie treibt, vom Triebe des Irrtums fortgerissen; dann wieder werden sie, zu sich selbst zurückkehrend, wie abprallende Wogen zurückgeworfen. Bald geben sie in waghalsiger Vermessenheit auch dem ihre Zustimmung, was als unsicher erscheint; bald aber schrecken sie in törichter Furcht auch vor dem zurück, was sicher ist, unentschieden, wohin sie gehen, wohin sie zurückkehren, was sie erstreben, was sie fliehen, was sie festhalten, was sie preisgeben sollen. Diese Bedrängnis eines zweifelnden und S. 201schwankenden Herzens ist allerdings für sie eine Arznei der göttlichen Barmherzigkeit, wenn sie vernünftig sind. Denn deshalb werden sie außerhalb des sicheren Hafens des katholischen Glaubens von mannigfaltigen Stürmen der Gedanken geschüttelt, gepeitscht und fast zu Tode gehetzt, damit sie die hochgespannten Segel ihres übermütigen Sinnes einziehen, die sie zu ihrem Unheil von den Winden ihrer Neuerungen hatten schwellen lassen, und damit sie sich in den so sichern Ankerplatz ihrer sanften und guten Mutter zurückziehen, darin bleiben und vorerst jene bittern und trüben Fluten ihrer Irrtümer wieder von sich geben, um dann vom Strome lebendigen und sprudelnden Wassers3 trinken zu können. Verlernen sollen sie zu ihrem Heile, was sie zum Unheile gelernt haben, und von der ganzen Lehre der Kirche das erfassen, was mit dem Verstande erfaßt werden kann, und das glauben, was nicht erfaßt werden kann4 .
