22. Fortsetzung.
[27] Aber es ist der Mühe wert, den ganzen Wortlaut des apostolischen Spruches genauer zu behandeln. O Timotheus, sagt er, bewahre die Hinterlage, indem du die heillosen Wortneuerungen meidest! O! Dieser Ausruf zeugt zugleich von seinem Vorherwissen und von seiner Liebe; denn er sah die kommenden Irrlehren vorher und betrauerte sie im voraus. Wer ist heutzutage jener Timotheus anders als entweder im allgemeinen die ganze Kirche oder im besonderen der ganze Stand der Vorgesetzten, welche die reine Wissenschaft der Gottesverehrung sowohl selbst besitzen als auch den anderen mitteilen müssen? Was heißt: Bewahre die Hinterlage? Bewahre sie, sagt er, wegen der Diebe, wegen der Feinde, damit sie nicht, während die Menschen schlafen, Unkraut säen unter jenen guten Weizensamen, den der Menschensohn auf seinen Acker gestreut hatte. Die Hinterlage, sagt er, bewahre; was ist Hinterlage? Das heißt: was dir anvertraut ist, nicht was du erfunden hast; was du empfangen, nicht was du ausgesonnen hast; eine Sache nicht des Verstandes, S. 204sondern der Lehre, nicht eigenen Gutdünkens, sondern öffentlicher Überlieferung; was dir zugebracht, nicht von dir hervorgebracht, wovon du nicht der Urheber, sondern der Wächter sein sollst, nicht der Stifter, sondern der Schüler, nicht der Führer, sondern der Nachfolger. Die Hinterlage, sagt er, bewahre; das heißt: Das Talent1 des katholischen Glaubens bewahre unverletzt und unversehrt. Was dir anvertraut worden ist, das bleibe bei dir, das werde von dir weitergegeben. Gold hast du empfangen, Gold gib wieder heraus; ich bin nicht damit einverstanden, daß du an die Stelle des einen etwas anderes setzest, nicht einverstanden, daß du statt Gold entweder verwegen Blei oder betrügerischerweise Kupfer unterschiebst; ich will kein Flittergold, sondern echtes. O Timotheus, o Priester, o Prediger, o Lehrer! Wenn die Gnade Gottes dich hierzu geeignet gemacht hat durch Talent, Übung und Gelehrsamkeit, so sei ein Beseleel2 des geistigen Zeltes, schleife die kostbaren Edelsteine der göttlichen Lehre, füge sie treu zusammen, richte sie weise ein, gib ihnen Glanz, Anmut und Schönheit! Deutlicher soll infolge deiner Erklärung verstanden werden, was vorher dunkler geglaubt wurde; durch dich soll die Nachkommenschaft die glückliche Einsicht in das erhalten, was vorher das Altertum glaubte, ohne es zu verstehen. Lehre jedoch dasselbe, was du gelernt hast, in der Weise, daß du auf neue Weise sprichst, nicht Neues