3.
In der Enge der kleinen Zelle, in die sie sich eingeschlossen hatte, fand und kostete sie die weiten Gefilde S. 120 des Paradieses. Das gleiche Fleckchen Erde war für sie die Stätte des Gebetes und der Ruhe. Fasten war ihr ein Spiel, der Hunger eine Erholung. Nicht die Lust zu essen, sondern das Bedürfnis der menschlichen Natur zog sie zur Speise. Deshalb dienten Brot, Salz und klares Wasser mehr dazu, den Drang nach Nahrung anzureizen als ihn zu überwinden. Beinahe hätte ich zu erwähnen vergessen, was ich eigentlich zuerst berichten mußte. Sobald sie sich zu ihrem heiligen Berufe entschloß, verkaufte sie ohne Vorwissen der Eltern ihr goldenes Halsgeschmeide, das der Volksmund murenula 1 nennt, weil das in kleine Stäbchen zerlegte Metall nachgibt und sich zu einer schlangenförmigen Kette zusammenschmiegt. Sie erstand sich ein dunkles Kleid, das sie von der Mutter nicht erhalten konnte, und weihte sich in der frommen Erwartung, keinen schlechten Tausch getan zu haben, unvermutet dem Herrn. Die ganze Verwandtschaft mußte einsehen, daß sie der Welt nicht wiedergewonnen werden konnte, deren Verachtung sie bereits in ihrer Kleidung zum Ausdruck brachte.
Die Kette erinnerte in ihrer Form an die murena, einen aalartigen, bei den Römern beliebten Seefisch. ↩
