1.
Du, der Du unsere gegenseitige Liebe zu beurteilen vermagst, weißt, mit welcher Hingebung und mit welchem Eifer ich mich bemüht habe, zusammen mit Dir in der Wüste zu leben. Wie mich Deine Abreise jammerte, wie ich unter ihr litt und seufzte, davon legt dieser Brief, der meiner Tränen Spuren trägt, Zeugnis ab. Wie ein zarter Knabe hast Du Deine gegen mein Bitten ablehnende Haltung in solch schmeichelhafte Worte gekleidet, daß ich unsicher wurde und nicht wußte, was ich tun sollte. Sollte ich schweigen? Ich vermochte nicht, unter gemäßigten Worten zu verbergen, was ich mit aller Leidenschaft erstrebte. Sollte ich inständiger bitten? Aber Du wolltest ja nicht hören; denn Deine Begeisterung war nicht so groß wie die meine. Doch das einzige, was die verschmähte Liebe tun konnte, hat sie getan. Da sie Dich, als Du noch hier weiltest, nicht festhalten konnte, sucht sie Dich in Deiner Abwesenheit auf. Du hattest bei Deiner Abreise gebeten, ich möchte nach meiner Ankunft in der Wüste Dir eine Einladung zugehen lassen. Ich hatte Dir meine Zusage gegeben, und jetzt lade ich Dich ein und bitte Dich, bald zu kommen. Denke nicht mehr an die früheren Unbehaglichkeiten. S. 279 Das Einsiedlerleben verlangt vollkommenen Verzicht auf alles. Laß Dich auch nicht abhalten durch die Unbequemlichkeiten der ersten Reise! Da Du an Christus glaubst, so glaube auch seinen Worten: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben werden.“ 1 Nimm weder Reisetasche noch Stab mit! 2 Hinlänglich reich ist, wer mit Christus arm ist.
