IV.
Doch Würden machen den, der sie erworben, angesehen und ehrfurchtgebietend. Haben aber obrigkeitliche Stellen die Kraft, dem Geist ihrer S. 79 Inhaber Tugend einzuflößen, Fehler auszumerzen? Nein, sie beleuchten eher die Nichtswürdigkeit, als daß sie sie verjagen. So kommt es, daß wir unwillig sind, wenn sie oft ganz nichtsnutzigen Menschen zuteil werden, wie denn Catull den Nonius trotz seines curulischen Ehrensitzes einen Tropf nennt. Siehst du also nicht, wie sehr die Würden für die Schlechten die Schande vergrößern? Denn ihre Unwürdigkeit würde doch weniger offenkundig sein, wenn sie durch keine Würden ins helle Licht gesetzt würde. Und hättest du, trotz so vieler Gefahren, je dazu verführt werden können, mit Decoratus, in dem du die Gesinnung eines nichtswürdigen Possenreißers und Angebers erblicktest, gemeinsam ein Amt zu bekleiden? Wir können um der Ehrenstellen willen nicht die für ehrwürdig halten, die wir der Ehrenstellen selber für unwürdig halten. Aber wenn du jemand mit Weisheit begabt sähest, könntest du ihn für nicht würdig der Ehrfurcht oder der Weisheit, mit der er begabt ist, halten? – Keineswegs. – Die Tugend hat nämlich ihre eigene Würde, welche sie auf die, denen sie verbunden ist, weiter überträgt. Wenn dies die vom Volke übertragenen Ehren nicht zu leisten vermögen, so geht daraus hervor, daß sie die eigentümliche Schönheit der Würde selbst nicht besitzen.
Hierbei ist folgendes noch besonders zu beachten; wenn jemand um so verworfener ist, je mehr er von vielen verachtet wird, so macht die Würde die Unredlichen, da sie diese nicht verehrungswürdiger machen kann, nur noch verächtlicher, weil sie sie vielen zeigt. Leider nicht ungestraft, denn die Schlechten zahlen den Würden gleiches heim; sie besudeln sie durch ihre Ansteckung. Damit du aber erkennst, daß aus diesen Schattenwürden keine echte Ehrerbietung herrühren kann, schließe so: Wenn jemand, der mehrfach den Consulat bekleidet hat, durch Zufall zu barbarischen Völkern käme, würden seine Ehren ihn den barbarischen Völkern verehrungswürdig machen? Und doch, wenn dies die natürliche Eigenschaft der Würden wäre, würden sie nirgends in der Welt von ihrer Ausübung abweichen, wie das Feuer nirgends auf der Welt aufhört zu wärmen. Da dies aber nicht eigne Kraft, sondern die falsche Meinung der Menschen mit ihnen verknüpft, so schwinden sie auf der Stelle hin, wenn sie zu denen kommen, welche nicht schätzen, was diese Würden sind, und dies ist der Fall bei fremden Völkern. Ob sie aber auch dort, wo sie entstanden sind, immer dauern? Trotzdem die Prätur einst eine große Macht war, ist sie jetzt ein leerer Name und als Steuer für die Senatoren eine schwere Last. Wenn sich jemand einst um die jährlichen Ernteerträge des Volkes kümmerte, so wurde er für groß gehalten; was gibt es jetzt Verächtlicheres als die Präfektur? Wie wir nämlich eben erst gesagt haben: das, was nichts von eigner Schönheit an sich hat, wird je nach der Meinung des Gebrauchers bald Glanz annehmen, bald ihn verlieren. Wenn also Würden nicht verehrungswürdig machen S. 81 können, wenn sie überdies durch Ansteckung der Unredlichen schmutzig werden, wenn sie ihren Glanz im Wandel der Zeiten ablegen, wenn sie je nach der Meinung der Völker wertlos werden, was ist dann an ihnen von erwünschbarer Schönheit, geschweige, daß sie andere übertreffen?
IV. Mag im purpurnen Kleid von Tyrus Küste
Prahlend verziert mit Edelsteinen
Nero prunken, so bleibt des Wahnsinns Aufwand
Ewig verhaßt doch bei allen Menschen.
Doch der Frevler verlieh verehrten Vätern
Ehrenlose kurulische Ämter.
Wer kann Ehren denn noch für glücklich halten,
Welche die Elenden so verleihen?