Dritter Artikel. Der menschliche Akt als gut oder böse hat den Charakter des Verdienstes oder Mißverdienstes.
a) Dem steht entgegen: I. Verdienst oder Mißverdienst hat Beziehung zur Wiedervergeltung, von welcher nur gesprochen werden kann in allem dem was auf einen anderen Beziehung hat. Nicht alle menschlichen Thätigkeiten aber geschehen mit Rücksicht auf einen anderen, sondern viele haben die eigene Person des Handelnden zum Zielpunkte. Also nicht weil ein Akt gut oder schlecht ist hat er auch schon den Charakter des Verdienstes oder des Mißverdienstes. II. Niemand verdient Lohn oder Strafe deshalb, weil er wie er will verfügt über das, worüber er Herr ist; wie wenn jemand ein ihm gehörigesMöbel zerbricht, er nicht bestraft wird, als ob er das eines anderen zerbrochen hätte. Der Mensch aber ist Herr über seine Handlungen. Also daß er darüber verfügt, dafür verdient er weder Lohn noch Strafe. III. Dadurch daß jemand sich selbst etwas Gutes erwirbt, verdient er nicht, daß ihm noch von einem anderen wohlgethan werde; und dasselbe gilt vom Bösen. Der gute Akt aber selbst schon ist etwas Gutes und eine Vollendung des Handelnden; und ebenso ist der böse Akt bereits eine Strafe für den, der ihn begangen. Also ist weiteres Verdienst oder Mißverdienst ausgeschlossen. Auf der anderen Seite heißt es Isaias 3.: „Saget dem Gerechten, er habe gut gehandelt; denn die Frucht dessen, was er ausgedacht, wird er genießen. Wehe dem Gottlosen zu seinem Verderben; die Wiedervergeltung der Werke seiner Hände wird ihm werden.“
b) Ich antworte, Verdienst und Mißverdienst werden ausgesagt mit Beziehung auf Wiedervergeltung, die da kraft der Gerechtigkeit geleistet wird. Wiedervergeltung aber gemäß der Gerechtigkeit wird jemandem deshalb geleistet, weil sein Thun zum Besten oder zum Schaden eines anderen gereicht. Es ist sonach zu berücksichtigen, daß wer inmitten irgend einer Gesellschaft lebt, gewissermaßen Teil und Glied ist der ganzen Gesellschaft. Wer also etwas thut, was zum Besten oder zum Nachteile irgend eines in der Gesellschaft gereicht, das fließt über in das Wohl der ganzen Gesellschaft; wie wenn jemand die Hand Irgendeines verletzt, er folgerichtig den ganzen Menschen verletzt. Handelt also jemand zum Besten oder zum Nachteil einer einzelnen Person, so ist da ein doppelter Grund für Verdienst oder Mißverdienst: einmal weil ihm Wiedervergeltung gebührt seitens der einzelnen Person, die er unterstützt oder beschädigt hat; — dann, weil die Gesamtheit ihm Wiedervergeltung schuldet. Hat jedoch etwas jemand gethan zum Besten oder zum Nachteile der ganzen Gesellschaft, so gebührt ihm zuerst Wiedervergeltung von der ganzen Gesellschaft; und in zweiter Linie von den einzelnen Gliedern derselben. Thut aber jemand etwas zum eigenen Besten oder Schaden, so gebührt ihm auch Wiedervergeltung, weil dies zum Besten oder zum Schaden der Gesamtheit gereicht, deren Glied er ist; — und es wird ihm ebenso gewissermaßen Wiedervergeltung von seiten seiner selbst, gemäß einem gewissen Verhältnisse und einer Analogie, insofern von einer Gerechtigkeit des Menschen sich selbst gegenüber gesprochen wird. Demgemäß ist der menschliche Akt lobens- oder tadelnswert, weil er in der Gewalt des Menschen ist; — er ist recht gethan oder sündhaft, insofern ihm die Beziehung zum Zwecke innewohnt; — er ist verdienstlich oder strafbar, insofern seiner auf Grund der Gerechtigkeit gegen den anderen Wiedervergeltung harrt.
c) I. Immer haben die menschlichen Akte Beziehung zum Besten des Ganzen der Gesamtheit, wenn sie auch nicht gerade auf einzelne Personen sich richten, um selbigen zu nutzen oder zu schaden. II. Der Mensch hat wohl die Verfügung über sein Handeln, ist Herr desselben; aber er ist auch Glied der Gesamtheit und somit hat er Verdienst oder Mißverdienst, insoweit er über sein Handeln schlecht oder recht verfügt. Ebenso geht es ihm, wenn er Anderes, womit er der Gesamtheit dienen soll, recht oder schlecht verwendet. III. Was jemand sich selbst gegenüber thut, ist eben deshalb ein Vorteil oder Nachteil für die Gesamtheit.
