Siebenter Artikel. Gott kann in der Zeit Namen tragen, welche Er von Ewigkeit nicht hat.
a) Diese Behauptung scheint gegen das eben Bewiesene sich zu wenden. Denn: I. Solche Namen, welche den Beziehungen der Kreaturen zu Gott entspringen, bezeichnen wie eben gesagt zu allererst und vor allen Beziehung die Substanz Gottes. Deshalb sagt Ambrosius (lib. I. de fide c. 1.): „Dieser Name Herr ist ein Name für die Macht Gottes, welche die göttliche Substanz selbst ist; und der Name Schöpfer drückt das Wirken Gottes aus, welches ein und dasselbe wie das göttliche Wesen ist.“ Aber die göttliche Substanz ist nicht zeitlich, sondern ewig. Also solche Namen kommen Gott nicht zu erst im Laufe der Zeit, sondern von Ewigkeit. II. Wenn einem Sein etwas erst zukommt nach einer gegebenen Zeit, so kann dies, was ihm zukommt, als etwas Gewordenes bezeichnet werden; denn was z. B. erst mit der Zeit weiß ist, das wird zu etwas Weißem. Gott aber kommt nicht zu, was erst geworden ist. Also kommt Ihm kein Name erst nach einer gegebenen Zeit zu. III. Wenn es wahr ist, daß einige Namen erst nach gegebener Zeit, auf Grund von Beziehungen der Kreaturen zu Ihm von Gott ausgesagt worden: dann muß dies von allen derartigen Namen gelten, denn der gleiche Grund besteht für alle. Unter den Namen aber, welche eine Beziehung der Kreaturen zu Gott bedingen, finden sich solche, welche von Ewigkeit her Gott zukommen; wie z. B. es bei Jeremias (31. 3.) heißt: „In ewiger Liebe habe ich dich geliebt;“ und ebenso hat Gott die Kreaturen von Ewigkeit her gewußt. Also auch andere Namen, wie „Herr“, „Schöpfer“, gelten Gott gegenüber von Ewigkeit her. I V. Derartige Namen bedingen eine Beziehung. Dieselbe muß nun etwas Wirkliches sein entweder in Gott oder nur in der Kreatur. Es kann aber nicht sein, daß diese Beziehung ihr Wirklichkeit, weshalb nämlich sie wirklich Beziehung ist, nur in der Kreatur habe. Denn in diesem Falle würde Gott Herr genannt werden auf Grund des anderen Ihm gegenüberstehenden Teiles der Beziehung. Nichts aber wird so benannt von seinem Gegenüber. Der Obere z. B. wird nicht Oberer genannt, weil in seinem Untergebenen die wirkliche Grundlage für diese Beziehung ist; sondern weil Er es thatsächlich an sich hat, Oberer zu sein. Ebenso wird der Vater nicht davon Vater genannt, weil der Sohn das Wirkliche des Sohnes hat, sondern weil Er, der Vater, es thatsächlich an sich hat, Vater zu sein. Es bleibt also dabei, daß die Beziehung, auf Grund deren Gott „Herr“ genannt wird, in Ihm, in Gott selber, das entsprechende Wirkliche hat. In Gott aber ist nichts Wirkliches erst kraft des Verlaufes einer gewissen Zeit; da Er über alle Zeit erhaben dasteht. Solche Namen also trägt Gott nicht der Zeit nach. V. Wird eingeworfen, daß die Beziehung „Herr“, welche in irgend einer Herrschaft von seiten Gottes begründet sein muß, nur der Auffassung nach in Gott und nicht gemäß der Wirklichkeit, wie etwa durch die wirkliche „Weiße“ etwas weiß gen»nnt wird; so folgt, daß Er nicht wirklich „Herr“ ist, sondern bloß der Auffassung gemäß. VI. In Beziehungen, welche nicht wechselseitig sind und deren beide Teile somit auf Grund ihrer Natur nicht wie z. B. Vater und Sohn zugleich bestehen müssen, in welchen sonach der eine Teil ganz gut ohne sein Gegenüber sein kann; — in solchen Beziehungen kann der eine Teil existieren ohne den anderen wie z. B. der Gegenstand des Wissens existiert ohne das Wissen. Aber die Beziehung zwischen Gott und der Kreatur ist keine wechselseitige ihrer Natur nach. Also kann etwas von Gott behauptet werden mit Beziehung auf die Kreatur, trotzdem letztere nicht existiert. Und so werden Namen, wie „Herr“, „Schöpfer“, Gott beigelegt von Ewigkeit und nicht erst in der Zeit. Auf der anderen Seite sagt Äugustin (5. de Trin. 16.), daß diese Bezeichnung „Herr“ erst der Zeit nach Gott zukommt.
b) Ich antworte, daß einige Namen, welche der Beziehung der Kreaturen zu Gott entspringen, erst im Verlaufe der Zeit Gott beigelegt werden konnten und nicht von Ewigkeit. Zu dessen Klarstellung sei zuvörderst bemerkt, daß einige annahmen, die Beziehungen überhaupt seien nichts Wirkliches, in der Natur der Dinge Existierendes, sondern einzig und allein ein Ergebnis der Vernunft. Das ist jedoch ein offenbarer Irrtum schon deshalb, weil die Dinge selber untereinander, unabhängig von unserer Vernunft, in natürlicher Ordnung und Wechselbeziehung stehen. Es ist aber festzuhalten, daß, insofern die Beziehung im allgemeinen zwei Endpunkte besitzt, sie sich in dreifacher Weise dazu verhält, ob sie in der Natur Wirklichkeit hat, oder ob sie nur ein Erzeugnis der Vernunft ist: 1. Bisweilen ist sie nach beiden Endpunkten hin nur ein Erzeugnis, ein Ding der Vernunft; dann nämlich, wann zwischen zwei Dingen eine Beziehung statthaben kann allein gemäß der Auffassung der Vernunft, wie z. B. wenn wir sagen: Ein Ding ist sich selbst gleich. Denn soweit die Vernunft zweimal ein und dasselbe Ding auffaßt, stellt sie es für sich selbst als zwei Dinge hin und nimmt so ein Verhältnis des Dinges zu sich, dem Dinge selber, wahr. Und ähnlich verhält es sich mit allen Beziehungen, welche existieren zwischen Sein und Nichtsein; diese bildet die Vernunft, insoweit sie das Nichtsein wie ein Sein sich vorstellt. Eben dasselbe gilt von allen Beziehungen, welche einem Akte der Vernunft folgen, wie die der „Art“ und der Gattung u. dgl. 2. Bisweilen hat aber ganz im Gegenteil die Beziehung nach beiden Endpunkten hin betrachtet, Wirklichkeit in der Natur; dann nämlich, wann ein Verhältnis besteht zwischen zwei Dingen gemäß jener Wirklichkeit, die beiden Endpunkten innewohnt. Dies ist der Fall bei allen Beziehungen, welche auf den Umfang sich gründen, wie groß und klein, doppelt und halb u. dgl. oder auch bei denen, welche sich gründen auf Geben und Empfangen; wie das Bewegende und Bewegliche, Vater und Sohn u. dgl. 3. Endlich ist zuweilen die Beziehung mit Rücksicht auf den einen Endpunkt eine wirkliche und mit Rücksicht auf den anderen ein bloßes Gedankending. Das findet statt, wann die beiden Endpunkte nicht ein und derselben Seinsordnung angehören; wie z. B. der Sinn und das Wissen Beziehung haben auf das sinnlich Wahrnehmbare und das Wissenswerte. Denn die sinnlich wahrnehmbaren und die für den Geist erkennbaren Dinge sind Seinsarten, welche ihrer eigenen Natur nach subsistieren und nicht zur Seinsart: Sinn oder Wissen, gehören. Und deshalb ist wohl im Sinn und im Wissen die Beziehung eine wirkliche, nämlich eine in der Natur dieser Vermögen begründbete, gemäß dem daß sie dazu bestimmt sind, die Dinge sinnlich oder vernünftig wahrzunehmen. Aber die Dinge selber sind an sich betrachtet außerhalb dieser Seinsordnung. Deshalb besteht in denselben keinerlei besondere Wirklichkeit, welche sie zum Sinn und zum Wissen hinbezöge oder hinbestimme; sondern ihre Beziehung zum Wissen und zum Sinn ist von ihnen aus nur ein Gedankending, insoweit diese Gegenstande die Vernunft als Endpunkte der Beziehungen von Sinn und Wissen auffaßt. Aristoteles sagt demnach mit Recht, daß die Dinge als in Beziehung stehend ausgesagt werden zum Sinn und Wissen, nicht auf Grund einer Wirklichkeit in ihnen, die sie zum Sinn und Wissen hinziehe, sondern weil umgekehrt im Sinn und Wissen etwas Wirkliches besteht, was die natürliche Bestimmung habe, die Dinge zu erkennen (5. Metaph.). Und ähnlich wird nicht von einer Säule gesagt, sie sei rechts, außer wenn jemand sie zur rechten Seite hat, so daß in Letzterem das Wirkliche in dieser Beziehung vorhanden ist, nicht aber in der Säule. Da nun also Gott außerhalb aller kreatürlichen Ordnung steht und alle Kreaturen Beziehungen haben zu Ihm, nicht aber umgekehrt, so ist offenbar, daß die Kreaturen von ihrer Wirklichkeit aus zu Ihm hingeordnet werden; in Gott aber selbst ist keinerlei Wirkliches, was Ihn zu den Kreaturen hinbezöge. Nur die Vernunft faßt Ihn auf als Endpunkt der Beziehungen in der Gesamtnatur. Und so ist gar kein Hindernis dafür vorhanden, daß jene Namen, welche auf Grund der Beziehungen der Kreatur zu Gott über Ihn ausgesagt werden, im Verlaufe der Zeiten Gott zukommen und nicht von Ewigkeit. Denn sie bedingen keine Änderung in Gott, sondern entspringen nur aus Änderungen in der Kreatur; gleichwie für den Menschen die Säule zur Rechten steht, nicht weil an der Säule eine Änderung vorgegangen wäre, sondem weil der Mensch seinen Platz geändert hat.
I. In den Ausdrücken, welche den Beziehungen gewidmet sind, muß ein allgemeiner Unterschied gemacht werden. Denn einige unter denselben bezeichnen die Beziehung selbst; wie z. B. Herr und Knecht, Vater und Sohn; dies sind Beziehungsworte ihrer Natur nach. Andrere bezeichnen solche Substanzen, mit denen Beziehungen verbunden sind; wie z. B. bewegend und beweglich, Haupt und Glieder u. dgl.; diese sind Beziehungsworte nur der Redeweise nach. Demgemäß muß auch zwischen den Namen Gottes ein Unterschied gemacht werden. Denn manche bezeichnen die Beziehung selbst zwischen Gott und der Kreatur; wie der Name „Herr“; — und diese Art Namen richten sich nicht unmittelbar auf die Bezeichnung der göttlichen Substanz, sondern nur mittelbar; indem sie dieselbe voraussetzen, wie die Herrschaft voraussetzt, daß Macht vorhanden ist. Andere aber bezeichnen unmittelbar die göttliche Substanz und nebenbei nur eine Beziehung, welche mit der göttlichen Substanz verbunden ist; wie „Erlöser“, „Schöpfer“; — und derartige Namen drücken aus eine Thätigkeit Gottes, die ja wieder substantiell das göttliche Wesen ist. Beide Arten von Namen werden Gott der Zeit nach beigelegt, soweit die Beziehung, sei es als Hauptsache sei es nur als Folge, in Betracht kommt, also die Veränderung in der Kreatur; sie gebühren aber Gott von Ewigkeit her, soweit sie, sei es mittelbar oder unmittelbar, das göttliche Wesen bezeichnen.
II. Die Beziehungen, welche von Gott der Zeit nach ausgesagt werden, sind in Gott nur vermittelst der Auffassung der Vernunft. Also wird auch das „Werden“ und „Gewordensein“ von Gott nur nach der Auffassung der Vernunft ausgesagt, da an Ihm sich nichts ändert; so z. B. heißt es Psalm 89: „Herr! Zuflucht bist Du uns geworden.“
III. Die Thätigkeit der Vernunft und des Willens ist innerhalb des Erkennenden und Wollenden. Deshalb werden solche Namen, durch welche die mit einer solchen Thätigkeit verbundenen und ihr allein folgenden Beziehungen bezeichnet werden, von Ewigkeit her Gott beigelegt; — jene Namen aber, durch welche die von der Thätigkeit des Wissens und Wollens ausgehenden und auf die äußeren Wirkungen sich erstreckenden Beziehungen bezeichnet werden, gelten von Gott der Zeit nach wie Erlöser, Schöpfer u. dgl.
IV. Die Beziehungen, welche durch derartige Gott beigelegte Namen bezeichnet werdcn, sind in Gott nur gemäß der Auffassung der Vernunft; der andere Endpunkt derselben ist in den Kreaturen dem wirklichen Sein nach. Das ist aber gar nicht unzuträglich, daß gemäß solchen Beziehungen, welche Wirklichkeit haben allein in den Dingen, Gott der Zeit nach benannt werde; freilich soweit die Vernunft den anderen Endpunkt der Beziehung als in Gott bestehend mitauffaßt; so daß von Gott deshalb Beziehungen zur Kreatur ausgesagt werden, weil es der Kreatur in Wirklichkeit eigen ist, auf Gott bezogen zu werden. So wird nach den Worten des Aristoteles (5. Meta) der Gegenstand des Wissens deshalb als in Beziehung stehend zum Wissen ausgesagt, weil es zur Natur des Wissens gehört, auf den Gegenstand hingeordnet zu sein.
V. Gott also steht in Beziehung zur Kreatur, weil diese ihrer wirklichen Natur nach auf Ihn bezogen wird und in ihrem ganzen Sein Ihm unterworfen ist. Daraus folgt, daß Gott nicht bloß gemäß der Auffassung der Vernunft, sondern wirklicher „Herr“ ist, in derselben Weise, wie in voller Wirklichkeit die Natur es an sich hat, Ihm unterworfen zu sein. VI. Um zu erkennen, ob Beziehungen unter zwei Dingen von Natur wechselseitig seien, so daß aus der Setzung des einen die des anderen sich ergiebt und das eine nicht ohne das andere sein kann, muß man nicht die Dinge betrachten, deren Seinsordnung gemäß die Beziehungen ausgesagt werden, sondern die Bezeichnung der Beziehungsworte selber. Wenn nämlich das Verständnis des einen das des anderen einschließt und umgekehrt; dann sind sie der Natur nach notwendig zugleich; wie doppelt und halb, Vater und Sohn u. dgl. Wenn aber wohl in dem Verständnis des einen das des anderen enthalten ist, aber nicht umgekehrt; dann werden sie nicht der Natur nach zugleich sein. In diesem letzten Falle steht das Wissenswerte in seinem Verhältnisse zum Wissen; denn wissenswert wird etwas genannt, weil es gewußt werden kann oder auch nicht; es schließt also das Wissen thatsächlich nicht mit ein. Wissen aber wird ausgesagt, weil jemand einen Gegenstand thatsächlich weiß; oder doch weil er die Wissenschaft davon in sich zu einer thatsächlichen machen kann. Vom Wissen also wird dem Begriffe nach der Gegenstand notwendig mit eingeschlossen. Somit, existiert das Wissenswerte oder der Gegenstand des Wissens unabhängig vor dem Wissen; und nur wenn thatsächlich ein Ak des Wissens besteht, ist der Gegenstand zugleich mit dem Wissen. Denn thatsächlich gewußt ist etwas nicht, wenn nicht ein Wissen davon vorhanden ist. Obgleich nun Gott also vor den Kreaturen besteht und von Ewigkeit „Herr“ sein kann, d. h. die Macht oder das Vermögen dazu hat; weil jedoch im Verständnisse des Ausdruckes „Herr“ eingeschlossen ist, daß ein „Knecht“ existiert, so sind diese beiden Beziehungsworte „Herr“ und „Knecht“ der Natur nach zugleich, und deshalb war Gott nicht thatsächlich „Herr“, ehe die unterwürfige Kreatur bestand.
